Herzflimmern
Ernährung. Vor allem für Frühgeburten gedacht, nicht wahr? Und sehr riskant, wenn ich mich nicht täusche.«
»Hast du schon mal gesehen, wie es gemacht wird?«
»Nein.«
»Aber ich. In Phoenix. An dem Krankenhaus, wo ich gearbeitet habe. Wir hatten da zwei Ärzte, einen Chirurgen und einen Internisten, die auf dem Gebiet Pionierarbeit geleistet haben. Ich habe mehrmals bei dem Eingriff zugesehen.« Sondra entzog ihm ihre Hand und stand auf. »Wir sollten es bei Ouko versuchen.«
»Das kann nicht dein Ernst sein.« Auch Alec stand jetzt auf. »Du hast
zugesehen
,wie es gemacht wird, aber du hast keinerlei praktische Erfahrung. Du willst
hier
,unter diesen Bedingungen, dem Jungen einen Herzkatheter legen? Nach dem, was ich über dieses Verfahren gelesen habe, fehlen uns hier sämtliche Möglichkeiten zur Durchführung.«
Aber Sondra war von dem Gedanken nicht mehr abzubringen. »Bleib bei ihm, Alec. Ich geh’ und rede mit Derry.«
Ehe er weitere Einwendungen erheben konnte, war sie gegangen. Er setzte sich wieder auf seinen Stuhl, legte die Finger um Oukos schmales Handgelenk und zählte den schwächer werdenden Puls.
Mitten im Hof, im Schatten des heiligen Feigenbaums, trat Rebecca plötzlich Sondra in den Weg. Sie kam aus den Schatten, als hätte sie auf Sondra gewartet. Ihre Augen hatten einen harten Glanz im Mondlicht.
»Lassen Sie ihn sterben,
memsabu«
, sagte sie leise in einem Ton, der beinahe drohend klang. »Gott ruft ihn. Lassen Sie ihn sterben.«
{195}
Einen Herzschlag lang starrte Sondra sie stumm an, dann ging sie weiter zu Derrys Hütte.
Trotz der späten Stunde schimmerte noch Licht im Fenster. Sondra klopfte leise.
»Ich habe eine Idee«, sagte sie auf seinen fragenden Blick. »Und ich glaube, es könnte auch klappen. Haben Sie schon mal von Hyperalimentation gehört?«
Derry runzelte die Stirn. »Was ist das?«
»Ein Verfahren zur intravenösen Ernährung, aber nicht über den üblichen Tropf, sondern über einen Dauerkatheter in der oberen Hohlvene.«
Derry sah sie lange schweigend an. Er hatte nie von diesem Verfahren gehört; die Vorstellung von einem Dauerkatheter in der oberen Hohlvene, dem großen Gefäß, das direkt zum Herzen führte, erschien ihm absurd. Aber ihm entging nicht, daß Sondra wie neu belebt war, und er spürte die frische Energie, die von ihr ausströmte.
»Wie funktioniert das?« fragte er, während er sein Hemd in die Hose stopfte.
»Wir können Ouko nicht über den Tropf ernähren, weil die kleinen periphären Blutgefäße konzentrierte Lösungen nicht vertragen. Aber er braucht konzentrierte Lösungen, um am Leben bleiben zu können. Bei diesem neuen Verfahren hat sich gezeigt, daß die obere Hohlvene die kontinuierliche Infusion einer konzentrierten Nährlösung gestattet, und zwar so lange, wie es notwendig ist. Man hat das Verfahren vor einigen Jahren eingeführt, um Neugeborene mit Verdauungsstörungen am Leben zu erhalten; in Phoenix haben wir es bei Erwachsenen nach komplizierten Darmoperationen angewandt. Derry, mit dieser Methode könnten wir Ouko wochenlang am Leben halten.«
Seine Miene blieb skeptisch. »Haben wir denn die Instrumente für so einen Eingriff?«
»Ich weiß nicht. Aber wir könnten improvisieren.«
»Wie setzen sich die Lösungen zusammen?«
»Die müßten wir selber zusammenstellen. Aber ich denke, daß eine Apotheke in Nairobi uns dabei helfen würde.«
»Wissen Sie, wie man den Katheter einführt?«
Sie zögerte. »Ich habe gesehen, wie es gemacht wird.«
»Und die Risiken?«
Sie breitete die Hände aus. »Da gibt es bestimmt hundert. Aber wenn wir es nicht wagen, stirbt Ouko.«
Gemeinsam gingen Sondra und Derry zum Krankenhaus zurück, vorbei {196} am Lager der Massai, die um mehrere kleine Feuer hockten und sich eine Mahlzeit aus saurer Milch und Kuhblut teilten.
Im Krankensaal ging es hektisch zu. Ouko war erwacht und hatte einen Krampfanfall bekommen. Wieder hatte er die Infusionskanüle verloren, und beim Husten hatte er Flüssigkeit aus der Lunge hochgebracht. Als Sondra und Derry kamen, waren Alec und Rebecca dabei, die Flüssigkeit aus der Luftröhre abzusaugen und die Infusionsstellen zu verbinden. Sie hatten ihm eine neue Dosis Curare gespritzt, so daß er wieder bewußtlos war.
Alec fuhr sich mit beiden Händen durch das Haar. »Er hat Gefäßkrämpfe. Es ist unmöglich, einen Tropf zu legen.«
Sondra beugte sich über den Jungen, um seine Lunge abzuhorchen. Was sie hörte, gefiel ihr nicht.
»Wir
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