Herzflimmern
einen neuen Krampf und hätte Sondra beinahe vom Bett gestoßen. Als seine Brust und seine Hüften in die Höhe gerissen wurden und sein Rücken sich wie ein Bogen wölbte, hörte sie das Knacken seiner Knochen.
»Lieber Gott!« murmelte sie und zwinkerte sich den Schweiß aus den Augen, während sie den Atembeutel festhielt, um zu verhindern, daß er sich von der Kanüle löste. »Schwester! Absaugen bitte! Schnell! Das Blut läuft ihm in die Luftröhre.«
Die Schwester stand in Unschlüssigkeit erstarrt.
»Helfen Sie mir doch!«
Plötzlich war Derry da, stieß die Schwester zur Seite und gab Ouko eine Spritze in den hart angespannten Oberschenkel. Während das Curare seine Wirkung tat und die Muskeln zu lähmen begann, nahm Derry einen Gummikatheter vom Nachttisch, befestigte an seinem Ende die Luftspritze und nickte Sondra zu. Sobald sie den Beutel von der Manschette zog, führte er den Katheter in die Kanüle ein und zog die Spritze zurück. Blut füllte den Glaszylinder. Er entleerte es in ein Becken und saugte nochmals ab. Oukos Muskeln waren inzwischen erschlafft, und {189} Sondra mühte sich eilig, die Blutungen am Einschnitt zu stillen. Sie und Derry arbeiteten Hand in Hand: Derry saugte ab, machte dann eine Pause, um Sondra ein paarmal mit dem Atembeutel Oukos Lunge blähen zu lassen, saugte dann wieder ab, während sie die Wunde reinigte.
Nach einer Ewigkeit, wie Sondra schien, schoben sie saubere Laken unter den bewußtlosen Jungen und wuschen ihn ab, während sie gleichzeitig seine Atmung mit dem Atembeutel stützten. Als sie fertig waren, und die Schwester die Instrumente wegtrug, setzten sich Derry und Sondra zu beiden Seiten des Bettes. Derry drückte mit kräftiger Hand in rhythmischer Bewegung den Atembeutel, während Sondra Ouko mit dem Stethoskop abhörte.
»Seine Lunge ist in Ordnung«, sagte sie schließlich, lehnte sich zurück und nahm das Stethoskop ab.
»Wie lang war er ohne Sauerstoff?«
»Ich weiß nicht genau. Zwei Minuten, vielleicht auch drei.«
»Dann dürfte nichts passiert sein.« Derry wechselte, um mit der anderen Hand zu drücken, da seine Finger sich mit dem stetigen Auf und Zu zu verkrampfen begannen. »Tja, Doktor, nun gibt es kein Zurück mehr. Jetzt müssen wir durch.«
Sondra sah ihn an. Sein schönes Gesicht war beschattet.
»Wir können die Familie mobilisieren«, sagte sie leise. »Brüder, Schwestern, alle Verwandten. Sie können alle abwechselnd pumpen.«
Derrys blaue Augen waren nachdenklich. »Ich rufe im Krankenhaus in Voi an und frage, ob man uns ein Atemgerät leihen kann. Wenn nicht, versuch’ ich’s in Nairobi. Wir legen gleich einen Tropf, und dann versuchen wir es mit künstlicher Ernährung durch eine Magensonde.«
Sondra betrachtete Derrys müdes Gesicht. »Es tut mir leid, was ich heute abend gesagt habe. Daß Sie Ouko zum Tod verurteilt haben, meine ich. Ich war so enttäuscht.«
»Ich weiß. Es macht nichts. Ich kenne das selber.«
22
Bei Sonnenaufgang war Ouko immer noch bewußtlos. Sie hatten einen Tropf gelegt, und einer der Mechaniker der Missionsstation, ein kräftiger Mann, saß am Bett und drückte gewissenhaft den Atembeutel.
Als Derry in den Gemeinschaftsraum kam, fand er Sondra müde vor einer Tasse Tee sitzend. Er legte ihr die Hand auf die Schulter. »Legen Sie sich eine Weile hin.«
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Sie sah auf und fragte, ob er beim Krankenhaus in Voi etwas erreicht hätte.
»Nein, die können keines ihrer Atemgeräte entbehren. Ich muß nach Nairobi fliegen. Aber ich fliege erst heute abend, wenn Alec wieder da ist. Bis dahin machen wir mit dem Atembeutel weiter.« Er setzte sich zu ihr.
»Die größte Sorge macht mir die Ernährung. Ouko war schon unterernährt, als er uns gebracht wurde. Nur mit dem Tropf wird er nicht lange durchhalten.«
Sondra war erschöpft wie nie zuvor. Nicht einmal während ihrer Assistenzzeit hatte sie sich je so schlapp und erschlagen gefühlt. Und mit der Erschöpfung stellte sich Mutlosigkeit ein. Was habe ich getan? dachte sie. Niemals wird es uns gelingen, Ouko drei Wochen lang am Leben zu halten.
Aber sie sagte Derry nichts von diesem Gedanken. Nicht jetzt, da sie sich auf den Kampf eingelassen hatten. Sondra hatte die ›Kunststückchen‹ vollführt, die Derry verboten hatte, und nun gab es kein Zurück.
»Ich füttere ihn erst, dann leg’ ich mich eine Weile hin.«
Derry betrachtete sie. Ein paar schwarze Strähnen lugten unter dem bunten Tuch hervor, in das sie ihr Haar eingebunden hatte.
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