Herzgefaengnis
„Danke“.
„Bist du jetzt bereit für ein Glas Wein?“ erkundigte er sich, ganz zuvorkommender Gastgeber.
„Er passt hervorragend zum Lammkarrée und ist nicht zu schwer. Ich habe schon einen ausgesucht.“
Diesmal widersprach ich nicht, als er einen Nero d´Avola bestellte. Der Kellner nickte anerkennend. Offenbar hatte Leo Ahnung …
Der erste Schluck war samtig, würzig und weich. „Das ist sehr gut“, gab ich zu. Er lächelte siegessicher. „Ich weiß.“ Dann beugte er sich etwas vor, und seine Augen streichelten mich. Mir wurde heiß und kalt zugleich. „Das andere wird auch alles – sehr gut. Du wirst sehen …“
Oh Gott. Ich konnte es mir vorstellen. Und das sah er mir an.
„Bitte entspann´ dich“, raunte er. „Du nimmst mir sonst jedes Fünkchen Selbstbeherrschung.“
Er zwinkerte mir zu.
„Daran bist du schuld. Du hast damit angefangen“. Jetzt war es eh schon egal, wie viel mehr Röte noch in mein Gesicht stieg. Es war nicht mehr aufzuhalten.
„Oh nein. Das stimmt nicht“. Er bedeckte meine Hände mit seinen. Seine Berührung löste ein mittleres Erdbeben bei mir aus. Ein unterirdisches.
„Du hast damit angefangen, als ich mit meiner Kollegin bei euch war. Du hast mich … angelächelt. Angestarrt. Beobachtet. Du bist schuld.“
Jetzt war ich wahrscheinlich dunkelrot. Zum Glück konnte ich selbst es nicht sehen.
„Das … das muss ganz unbewusst passiert sein“, stotterte ich. Mein Stolz trampelte mir auf die Zehen. Es nützte bloß nichts. Leo drückte meine Hände. Wie konnte eine so harmlose, kleine Berührung solche Energie in mir freisetzen?
„Das ist das Netteste, was du heute Abend bisher zu mir gesagt hast“, sagte er. „Ich nehme das als Kompliment.“
Ich musste lächeln, traute mich aber nicht, ihn anzusehen.
Er gab sich Mühe, mir die Aufregung zu nehmen, und fragte mich nach meinem Beruf und meinen Zukunftsplänen nach dem Examen.
„Ich werde zänkische Nachbarn verklagen, nehme ich an.“ Dabei schnitt ich eine Grimasse. Er schmunzelte.
„Klingt nicht gerade nach deinem Traumjob.“
„Ist es auch nicht. Aber das weiß mein alter Herr noch nicht. Mal sehen, wie ich aus der Nummer ´rauskomme.“ Ich zuckte die Achseln.
„Das erklärt immerhin, warum eine gutaussehende Referendarin lieber in ´ner Kneipe jobbt als beim Herrn Papa. Du hast keine Lust auf Juristen um dich herum.“
„Genau. Zu viele Juristen machen mich aggressiv.“
„Ach – das geht mir ganz genau so! In Gerichtssälen fühle ich mich unwohl. Vor allem im Schwurgericht.“ Er verdrehte die Augen.
„Hey, das gilt aber nicht für mich!“
Sein glutvoller Blick heizte meinen Körper auf. „Anwesende natürlich ausgenommen. Nachher verrate ich dir, was du mit mir machst. Aggressiv würde ich es jetzt nicht gerade nennen.“ Anzüglich ließ er seinen Blick über meinen Körper schweifen. „Obwohl – als Verteidigerin könntest sogar du mich wahrscheinlich wütend machen.“
„Das wäre nun wieder eine überaus reizvolle Berufsperspektive“, versetzte ich, immer noch verlegen wegen seiner Art, mich anzusehen. Er hob die Augenbrauen.
„Du willst mich also wütend sehen. Wie bedauerlich. Ich hätte mir da andere Gefühlsregungen vorgestellt, die du an mir magst.“ Er stützte mit einem süffisanten Lächeln sein Kinn auf die Hände und ließ mich nicht aus den Augen. Ich musste mir ein Lachen verbeißen.
„Ich bin jetzt nicht so leichtsinnig, dich zu fragen, welche das wären.“
„Und ich bin nicht so dumm, dir diese Frage vor dem Essen zu beantworten. Hier kommt unser Lammkarrée. Und dann …“ Er warf mir einen bedeutungsvollen Blick zu.
„Und dann was?“
„Wart´s ab.“ Mein Stolz war dagegen, irgendetwas abzuwarten, und versetzte mir kleine Tritte. Los, sag´ was. Was denn, erwiderte ich in Gedanken. Mir fällt auch nichts ein, gab mein Stolz mir zu verstehen. Also gut. Widerspruch zwecklos. Das musste auch mein Stolz einsehen.
Das Fleisch zerging fast auf der Zunge. Der heiße Balsamicojus umschmeichelte meine Sinne mit sanften Kräuter-Aromen und einem Hauch Knoblauch. Und dazu die Rosmarinkartoffeln - eine Geschmacksexplosion. Ich musste kurz die Augen schließen. Eins musste man Leo König lassen: Er wusste, was gut ist. Und dass ich das Gleiche mochte wie er. Wie hatte er das erkannt, während ich noch nicht einmal die Möglichkeit hatte, darüber nachzudenken? Beobachtete er so genau? Oder standen mir meine Gedanken auf der Stirn geschrieben? In
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