Herzgefaengnis
doch noch auf ihrem Lümmelsofa, schauten zum dritten Mal „Meine Braut, ihre Schwiegereltern und ich“ auf DVD und genossen es, mal wieder ganz unter uns zu sein. Cedric war unterwegs und würde nicht vor Mitternacht heimkommen.
„Gib deinem Polizisten noch ´ne Chance, aber gib´ ihm nicht gleich nach“, sagte Nick zum Abschied. „Ich hoffe, diesmal schaffst du es, einen Mann so lange zu ertragen, bis du ihn mir vorstellen kannst“, fügte sie grinsend hinzu.
„Du wirst es rechtzeitig erfahren“, erwiderte ich, ebenfalls grinsend. Sie verpasste mir einen dicken Schmatzer auf die Wange. „Tschüss, Sabina. Ich bin sehr gespannt. Ruf´ mich an!“
Jede Minute des nächsten Tages schien sich unendlich in die Länge zu ziehen. Zäh wie Kaugummi. Bei dem Mistwetter konnte ich mich noch nicht einmal durch Laufen oder Fahrradfahren ablenken. Feuchtkalte Regenschauer ließen einem die Lust auf frische Luft vollkommen vergehen.
Ich verbrachte deshalb die meiste Zeit damit, meine Bude auf Hochglanz zu bringen. Das lenkte mich von meinen Gedanken an das bevorstehende Wiedersehen mit Leo König ab. Obwohl … eigentlich konnte ich beim Putzen sogar noch besser über ihn nachdenken.
Hatte ich vorgestern etwas falsch gemacht? Es hatte sich doch so ganz und gar richtig angefühlt. So warm und so leicht und kein bisschen kompliziert. Auch für ihn, da war ich sicher. Hatte er etwa auch so einen Fluchtinstinkt? Ich war entschlossen, es herauszufinden.
Bevor ich in die Dusche stieg, legte ich mir zurecht, was ich heute Abend anziehen wollte. Mein neues Top, das meine Augen strahlen ließ, war dafür ideal. Dazu den schwarzen Bleistiftrock von meinem Examenskostüm. Darunter mein bestes Spitzen-BH-Set in Schwarz und ein Paar halterlose Strümpfe. Hoffentlich mussten wir nicht so weit zu Fuß gehen – dafür waren meine High Heels nicht gerade gemacht.
Sie werden die Nacht nicht alleine verbringen …
Als ich fertig war, kontrollierte ich noch einmal mein Spiegelbild: OK, ich hatte mich jetzt nicht gerade aufgedonnert. Wimperntusche, ein bisschen Lippenstift und etwas Rouge gegen die Blässe. Das war es. Mein dunkles Haar hatte ich zu einem, wie ich fand, eleganten Knoten aufgesteckt. War das zu streng? Ich probierte ein Lächeln. Nein, das ging durch. Ich konnte mein Spiegelbild durchaus leiden.
Mein Herz begann schon wieder, aufmüpfig zu pochen, obwohl es noch mindestens fünf Minuten waren, bis er klingeln würde. Ich stöckelte durch die Wohnung. Räumte hier und schnippte da noch ein Stäubchen weg. Schließlich setzte ich mich auf die Couch und studierte auf meinem iPad die neuesten Facebook-Einträge. War Leo König eigentlich auch auf Facebook? Meine Suche ergab nichts. Nun gut, vielleicht war er aus dem Alter raus.
Plingg … das war eine neue E-Mail. Diesmal hatte ich einen dezenteren Signalton eingestellt.
Absender: KHK Leo König, LKA
Betreff: WG: Zahnziehen
Liebe Sabina,
ich bin pünktlich da. Bitte lass´ mich diesmal ´rein – du wirst es nicht bereuen.
Dein Leo.
Ich musste schmunzeln. Na gut. Probieren wir es. Ich schaltete das iPad aus und legte es auf meinen Nachttisch. Heute würde ich es bestimmt nicht mehr brauchen.
Es klingelte. Na endlich.
Ich riss die Tür auf, und sein Anblick versetzte mir einen freudigen Schreck. Er hatte so ein Lächeln im Gesicht - genau die Art Lächeln, die für Herzinfarkte und das Abschmelzen der Polkappen verantwortlich ist. Er trug ein weißes Hemd mit offenem Kragen. Und darüber einen schmal geschnittenen schwarzen Blazer, der ihm etwas Distinguiertes verlieh. Dazu eine graue Jeans, die den Blick auf seine wohlgeformten Oberschenkel lenkte.
„Guten Abend, Leo.“ Das hauchte ich mehr, als dass ich es sagte.
Er taxierte mich von oben bis unten. Das Ergebnis schien positiv auszufallen, denn sein Lächeln wurde breiter. Mir fiel ein einzelnes Grübchen an seiner rechten Wange auf, das mir bislang entgangen war. In seinen Augen tanzten wieder die Goldpünktchen.
„Mir fehlen die Worte“, sagte er, als er die Musterung meiner Person beendet hatte. Hinter seinem Rücken zauberte er einen Blumenstrauß hervor. Rosa und weiße Tulpen und Frühlingsblumen. Ich klatschte vor Freude in die Hände – das hatte ich zum letzten Mal wahrscheinlich vor gefühlten zwanzig Jahren gemacht.
„Oh, danke!“ strahlte ich. Außer mein Vater hatte mir noch kein Mann Blumen mitgebracht. Was vermutlich auch an mir lag. Spontan küsste ich ihn auf die
Weitere Kostenlose Bücher