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Herzgesteuert: Roman (German Edition)

Herzgesteuert: Roman (German Edition)

Titel: Herzgesteuert: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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Er wird ganz weiß, und seine Hände krallen sich an die Tischplatte. Täusche ich mich, oder ist das eine Schweißperle auf seiner Stirn?
    »Herr Rottmeier, wenn Sie da nicht einschreiten, werde ich es tun!«
    »Aber …« Herr Rottmeier ist offensichtlich völlig überfordert. »Ich kann doch eine dreizehnjährige Schülerin, die noch neu in meiner Klasse ist, nicht fragen, ob sie schon Sex hat! Und mit wem!« Er rauft sich die Haare. »Das überschreitet ganz klar meine Kompetenzen!«
    »Aber die Höhe von Kirchtürmen ausrechnen«, ereifere ich mich, »und den Lattenabstand von Gartenzäunen, das können Sie! Doch wenn etwas wirklich wichtig ist, dann überschreitet das Ihre Kompetenzen!« Ich springe auf, stemme die Arme in die Hüften. »Sie müssen etwas tun! Und zwar sofort!«
    Herr Rottmeier wischt sich den Schweiß von der Stirn.
    »Bitte, ich bin für das zuständig, was sich in den Räumen der Schule abspielt! Aber was die Jugendlichen in ihrer Freizeit machen, dafür bin ich beim besten Willen nicht verantwortlich! Das geht nur ihre Eltern was an.«
    »Das sehe ich aber anders!«, rufe ich empört. »Wenn die Eltern den Kopf in den Sand stecken, dann sind Sie als Klassenlehrer in der Pflicht!«
    »Seit wann sind Sie denn so eine engagierte Mutter?«, fragt er gereizt. »Sie kommen doch sonst zu keinem einzigen Elternsprechtag!«
    »Also, das ist doch …« Ich bin erst mal sprachlos und sage dann: »Angriff ist die beste Verteidigung, oder?«
    »Ich greife Sie nicht an, ich stelle nur fest, dass Sie sich in Belange einmischen, die Sie gar nichts angehen!«
    »Wenn ein Unschuldiger im Gefängnis sitzt und ich davon weiß, dann geht mich das sehr wohl etwas an!«
    »Warum liegt Ihnen denn dieser Penner überhaupt so am Herzen?«, fragt Herr Rottmeier und bohrt seinen Blick plötzlich in meine Augen.
    Ich fühle mich in die Defensive gedrängt.
    »Das wiederum geht Sie gar nichts an«, zische ich und spüre, dass ich rot werde.
    Er springt auf und geht zwei Schritte, dann ist er schon an der Tür. »Wenn ich Ihnen einen Rat geben darf, Frau Hempel: Machen Sie einfach einen großen Bogen um den Park, genau wie ich. Dann müssen Sie das ganze Elend dort nicht sehen.«
    »Ah!«, höhne ich. »So packt der Herr Mathematiklehrer also Probleme an! Einen großen Bogen darum herum machen! Bestimmt lassen Sie die Schüler ausrechnen, wie groß der Bogen sein muss, damit man nichts mehr sieht!«
    Er reißt die Tür auf: »Bitte, ich muss jetzt in den Unterricht.«
    »Und das ist alles?«, frage ich entgeistert. »Sie gehen jetzt zur Tagesordnung über?«
    »Auf mich warten dreißig pubertierende Jugendliche«, antwortet er müde. »Ich würde jetzt auch lieber feine Immobilien besichtigen.« Mit einer energischen Geste winkt er mich zur Türe hinaus. »Aber ich wünsche Ihnen einen schönen Tag.«
     
    Okay. Das war nichts. Hier kann ich keine Unterstützung erwarten. So ein Weichei, dieser Rottweiler. Laut rumbellen, an der Kette zerren und allen Angst einjagen. Aber keine Verantwortung übernehmen.
    Und die Kinder mit Deltoiden und Trapezen quälen. Da fühlt er sich stark.
    Aber mein Kampfgeist ist gerade erst erwacht!
    Nicht mit mir!
    Noch im Gehen rufe ich Charlotte Sandmann an, die Polizistin von der Sitte.
    »Welchen Strafverteidiger können Sie mir empfehlen?«
     
    Eine halbe Stunde später sitze ich bereits in seinem Büro. Es ist modern und nüchtern eingerichtet; der Blick aus den hohen Fenstern geht direkt hinüber zum Gefängnis. Hinter einem dieser vergitterten Fensterchen sitzt jetzt Georg. Wenigstens ist er jetzt allein, denke ich und werde von einer plötzlichen Sehnsucht nach ihm übermannt. In dem Moment betritt auch schon der Anwalt mit Schwung sein Büro und reißt mich aus meinen völlig unangebrachten Gefühlen.
    Er heißt, wie schon auf seinem Messingschild am Hauseingang steht, Dr. Falk Huber und ist ein überraschend gut aussehender Mann. Er ist groß, athletisch, aber schlank, und seine fast ein bisschen zu langen Haare wellen sich grau-braun meliert über seinen Hemdkragen. Er trägt einen grauen Anzug, der exakt zu seinen stahlgrauen Augen passt. Nach einem kräftigen Händedruck setzt er sich zu mir an den großen runden Besprechungstisch.
    »Was kann ich für Sie tun?«
    Atemlos erzähle ich ihm meine Geschichte, lasse natürlich einige pikante Details weg, aber schildere im Wesentlichen, dass ich durch Zufall einen Penner an der Backe habe, für den ich mich nun menschlich und

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