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Herzgesteuert: Roman (German Edition)

Herzgesteuert: Roman (German Edition)

Titel: Herzgesteuert: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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moralisch zuständig fühle und dem von einer kleinen vollgekifften Göre Unrecht angetan wurde, weshalb er jetzt in einer Einzelzelle im Knast vor sich hin schmort.
    Der schöne Anwalt hört mir aufmerksam zu, wobei sich sein Blick ab und zu auf meine Beine verirrt.
    Zwischendurch macht er sich ein paar Notizen, und ich stelle fest, dass er keinen Ehering am Finger trägt. Seine Hände sind kräftig und gepflegt, seine Schrift ist gerade und exakt. Danke, Charlotte Sandmann.
    Natürlich kommt nach meinem Bericht wieder die obligatorische Frage: »In welcher Beziehung stehen Sie zu dem … ähm … Obdachlosen?«
    »In keiner «, beeile ich mich zu sagen. »Der Mann interessiert mich überhaupt nicht. Aber mein Gerechtigkeitssinn zwingt mich, hier einzuschreiten. Ich kann doch nicht zusehen, wie jemand, der absolut nichts verbrochen hat, unschuldig im Gefängnis sitzt …« Wahrscheinlich werde ich ganz rot, während ich mich so ins Zeug lege. »Der Mann ist absolut freiheitsliebend und meidet schon Obdachlosenunterkünfte, weil er lieber allein ist.« Ich merke, wie mir die Röte ins Gesicht schießt, und schäme mich vor Georg ganz fürchterlich. Warum verleugne ich immer und überall meine Gefühle für ihn?
    Dieser schöne Anwalt kann mir vielleicht über meine Gefühlsverirrungen hinweghelfen. Ja.
    Falk Huber betrachtet mich fast ein wenig amüsiert.
    »Normalerweise habe ich hier Ehefrauen oder Mütter von Straffälligen sitzen, aber dass sich jemand aus purem Gerechtigkeitssinn so vehement für jemanden einsetzt, den er überhaupt nicht kennt …«
    »Ich habe nicht behauptet, dass ich ihn gar nicht kenne«, beeile ich mich zu sagen. »Ich kenne ihn flüchtig. Vom Joggen durch den Park.«
    »Aha«, sagt Falk Huber und macht sich Notizen. »Näher kennen Sie ihn also nicht. Sie wissen nichts über seine Herkunft oder über seinen Charakter …«
    Ich schüttele stumm den Kopf. Gleich fange ich an zu weinen.
    » Was können wir tun?«, unterbreche ich ihn, bevor er allzu sehr in meiner Wunde bohrt. »Wie kriegen wir ihn da raus?«
    »Als Erstes muss ich Ihnen fairerweise sagen, dass mein Stundenhonorar bei vierhundert Euro liegt«, informiert mich der gute Dr. Falk Huber. »Wollen Sie sich jetzt immer noch für diesen Herrn einsetzen?«
    Ich schlucke.
    Dieser Georg kostet mich ein Geld! Und Zeit und Kraft und Herzweh und … alles.
    »Ja, natürlich!«, rufe ich aus. »Ich will keinen lahmen Pflichtverteidiger, der bei seinem Plädoyer ans nächste Fußballspiel denkt, sondern einen engagierten Spitzenanwalt, der mit allen Tricks arbeitet! Und nicht aufgibt, bis der Mann auf freiem Fuß ist! Habe ich mich deutlich ausgedrückt?!«
    Jetzt habe ich mich aber in Rage geredet. Ich spüre, wie meine Wangen brennen. Täusche ich mich, oder zuckt es um die Mundwinkel des Anwalts? Er schaut mich an, als ob er sich ein Lachen verbeißen müsste.
    Entschlossen legt er seinen edlen Kugelschreiber zur Seite und reibt sich unternehmungslustig die Hände: »Also dann! Packen wir es an!«
    Na endlich! Endlich habe ich Hilfe! Ich seufze erleichtert und lehne mich fast entspannt zurück. Jetzt kann ich die Sache in erfahrene Hände legen!
    Nachdem die ausgesprochen hübsche, kurzberockte Sekretärin Kaffee gebracht und mich mit ein bisschen zu interessierten Seitenblicken gemustert hat und ich daraufhin meine seidenbestrumpften Beine ein bisschen zu provokant übereinandergeschlagen habe, können Dr. Falk Huber und ich endlich anfangen zu arbeiten.
    Er blättert mit seinen kräftigen, männlichen Händen, die aus tadellosen Manschetten mit goldenen Manschettenknöpfen hervorschauen, im Strafgesetzbuch, während ich in meinem Kaffee rühre.
    Welch ein Unterschied zu diesem schnöseligen Mathematiklehrer! Der hatte einen ausgeleierten Wollpulli, grobe braune Cordhosen und ausgetretene braune Schnürschuhe an. Und war kein bisschen motiviert. Der kriegt allerdings auch nicht vierhundert Euro die Stunde.
    »Paragraf 201, Abschnitt zehn«, liest mir der Anwalt mit sonorer Stimme vor. »Vergewaltigung. Wer eine Person mit Gewalt, durch Entziehung der persönlichen Freiheit oder durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben zur Vornahme oder Duldung des Beischlafes oder einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung nötigt, ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren zu bestrafen.«
    Er unterbricht sich und schaut mich über den Rand seiner Lesebrille fragend an.
    »Sie werden ja ganz

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