Herzgesteuert: Roman (German Edition)
Alles ist so entsetzlich deprimierend!
In dem Moment kommt schon Fanny zurück und quetscht ihren schmalen Popo wieder neben meinen auf den Stuhl. Irritiert schaut sie zu den anderen Besuchern hinüber. Ihr verwirrter Blick scheint auszudrücken: »Sind wir jetzt auch solche Leute wie die?«
Ich weiß schon wieder nicht, ob das alles richtig ist, was ich da tue.
Aber Fanny wollte unbedingt mit! Sie wollte Georg besuchen, was soll ich denn da machen?! Und Georg … er freut sich so, dass wir beide da sind.
Er hält uns wirklich für eine kleine heile Familie.
»Noch fünf Minuten«, ruft der Aufseher, und allgemeine Geschäftigkeit entsteht.
Wir plaudern noch etwas mit Fanny, das fast belanglos wirkt in Anbetracht der unerträglichen Spannung, die sich zwischen Georg und mir aufgebaut hat. Ich wundere mich, dass die Scheibe nicht beschlägt!
Dabei habe ich doch heute Abend ein supertolles Date und sollte mal langsam überlegen, was ich anziehen soll!
»Der Rottweiler war heute in der Schule total merkwürdig«, erzählt Fanny. »Er hat keine einzige Rechnung ohne Fehler auf die Reihe gekriegt. Sogar ich habe gemerkt, dass er vergessen hat, die Wurzel zu ziehen bei dem Pythagoras! Und stellt euch vor, es ist das allererste Mal, dass er vergessen hat, uns Hausaufgaben aufzugeben. Er hat uns einfach so laufen lassen und keinen von uns angebrüllt …«
Sie plaudert und plappert, und Georg fragt sie ganz ernsthaft und interessiert nach dem Satz des Pythagoras. Die beiden fachsimpeln über rechtwinklige Dreiecke und wie man ihre Seiten ausrechnet oder so was, und ich beiße mir fast auf die Zunge, damit mir bloß nicht rausrutscht, mit wem ich heute Abend im Carpe Diem auf einen Drink verabredet bin: mit Dr. Falk Huber.
Es wird ein wahnsinnig netter Abend. Das Carpe Diem ist wie immer prall gefüllt, die Leute stehen lachend und plaudernd an der Bar oder hocken an diesen gemütlichen hohen Tischchen in den Fensternischen. Man betrachtet die Passanten in der Getreidegasse, tauscht den neuesten Klatsch aus, man flirtet und trinkt Prosecco aus diesen witzigen Gläsern, die so eine Beule für den Daumen haben, damit man sie besser halten kann. Ich liebe das Carpe Diem. Und erst recht liebe ich es, wenn ein gut aussehender Kerl darin auf mich wartet.
Mein schmucker Anwalt steht schon an der Bar und lächelt, als er mich entdeckt. Er sieht ungeheuer gut aus heute Abend: Seinen feinen Anzug aus der Kanzlei hat er eingetauscht gegen ein schwarzes Hemd mit offenem Kragen, schwarze Versace-Jeans und ein Daks-Tweedjackett. Als ich auf ihn zugehe, merke ich, dass ich auf einmal schrecklich nervös bin. Mein Mund ist ganz trocken und meine Knie, sie schlackern doch nicht etwa? Man sollte meinen, dass ich mich nach sieben Jahren als selbstständige Immobilienmaklerin doch etwas besser im Griff hätte. Dass ich etwas routinierter mit so einer Situation umgehen könnte.
Oder zittern sie etwa, weil ich wegen Georg so ein schlechtes Gewissen habe?
Ich komme mir unendlich schlecht vor, als ich Falk Huber entgegenschwebe. Der Mann ist noch viel größer, als ich ihn in Erinnerung habe!
Als ich die schwere Tür aufschieben will, versagen meine schwachen Ärmchen ihren Dienst. Mist. Ich sollte wirklich mal etwas Muskeltraining machen.
Falk Huber springt herbei und zieht die Türe so heftig auf, dass ich ihm fast in die Arme falle. Oh. Er riecht gut. Nach irgendeinem männlichen, herben, edlen Rasierwasser. Sehr fein jedenfalls. Nicht so … nach Mensch wie Georg.
»Guten Abend, schöne Frau! Wie geht’s?«, überspielt Falk Huber unseren Zusammenprall und hält mich auf Armeslänge von sich ab. »Sie sehen ja noch fescher aus als gestern in meiner Kanzlei!« Der Mann ist wirklich groß. Und was der für strahlend weiße Zähne hat! Falk blickt lächelnd auf mich herab.
»Wie geht es Ihrem … flüchtigen … Bekannten?«
»Also flüchtig ist ja nun ein sehr dehnbarer Begriff …«
Wir müssen beide schallend lachen. »Noch ist er ja nicht geflüchtet«, kichere ich, als Falk mir auch schon einen Barhocker unter den Po schiebt. »Aber ich hoffe, Sie verhelfen ihm bald zur Flucht!«
»Was trinken Sie?«
»Dasselbe wie Sie, wenn’s recht ist!«
Falk bestellt mir mit einem gezielten Wink auch ein Bier, und das hübsche Mädel in der weißen Bluse reagiert sofort.
Plötzlich wird mir bewusst, dass ich seine Hände, die mich heute Morgen schon so fasziniert haben, ein bisschen zu auffällig anstarre. Er spielt mit seinem
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