Herzgesteuert: Roman (German Edition)
Mathe erklären und Spanisch und Musiktheorie. Weil er alles weiß und kann. Er fährt Ski und spielt Golf, hat eine Segelyacht auf dem Attersee und spricht sechs Sprachen!
Ach, und sein prasselnder Kamin, seine Wahnsinns-Stereoanlage, aus der die ganze Nacht Jazzmusik tönte, und dann dieser unglaubliche Konzertflügel, auf dem dieser unglaubliche Mann sogar spielen konnte! Wie der abgerockt hat, voll cool! Und die schicke Einbauküche, in der er uns dann so gegen vier Uhr früh noch was in der Mikrowelle gezaubert hat!
Und was er mir alles erzählt hat, was er alles schon gemacht hat und wo er überall schon war!
Wirklich ein Wunder, dass wir uns noch nicht eher kennengelernt haben!
Wir sind aus dem gleichen Holz geschnitzt – na ja, also fast!
Und trotzdem – ich bin keine Frau für eine Nacht. Das habe ich ihm auch gesagt. Davon war er beeindruckt. Das fand er gut. Wir haben beide ein bisschen verlegen da rumgestanden, irgendwie war die Luft raus, wir hatten unser Pulver verschossen. Ich war auf einmal wahnsinnig müde und leer. Er hat mir um fünf Uhr früh ein Taxi gerufen. Und das war auch besser so.
Wenn ich im Nachhinein über diesen Abend nachdenke, weiß ich auch, warum ich mich so leer gefühlt habe: Mein Herz war gar nicht dabei. Das saß vor dem Knast und weinte bitterlich.
33
W as für ein Wahnsinn. Da sitze ich in diesem Raum, von dem aus ich Vickis Vernehmung auf der Leinwand verfolgen kann: In einem Zimmer ist die vermeintliche Opferseite zu sehen – also Vicki, ihre Mutter und Charlotte Sandmann von der Sitte – und links davon, in einem ebenfalls abgetrennten Raum, die vermeintliche Täterseite – also Georg, der Angeklagte, und Falk, sein Anwalt. Dort sitzen auch der Untersuchungsrichter, die beiden Beisitzer und schräg rechts die Protokollführerin.
Die Verhandlung ist nicht öffentlich, was nur logisch ist bei dem jugendlichen Alter von Vicki. Ich selbst habe eigentlich in dieser kontradiktorischen Vernehmung nichts zu suchen, aber Falk, cool wie er nun mal ist, hat mich ganz unauffällig in einen weiteren kleinen Raum geschleust, von dem aus ich alles beobachten und verfolgen kann. Schließlich zahle ich ihm nicht nur vierhundert Euro in der Stunde, sondern wir sind – mehr oder weniger offiziell – irgendwie … befreundet. Um nicht zu sagen … liiert. Mein Herz weiß zwar noch nichts davon, aber es wird es schon noch begreifen. Meine beiden Gehirnhälften haben es jedenfalls schon beschlossen. Weil es das Beste für uns alle ist.
Natürlich hat Georg davon keine Ahnung. Weder von meiner Anwesenheit im Nebenraum noch von … na ja, Falk und mir. Das wäre ja auch nicht besonders fair, ihm das jetzt kurz vor seinem Prozess auf die Nase zu binden. Im Gegenteil: Fanny und ich haben ihn noch jeden Tag im Knast besucht und ihm Mut gemacht. Ich glaube, Georg hat die Zeit im Knast nur deshalb überlebt, weil er uns hatte, Fanny und mich. Und Falk natürlich.
Wir sind uns ziemlich sicher, dass Falk ihn freibekommt.
Wie es dann weitergehen soll, weiß ich nicht. Solange Georg nicht bereit ist, etwas aus seinem Leben zu machen, werden wir uns nicht wiedersehen.
Das sagen mein Herz und mein Hirn.
Aber jetzt bin ich einfach nur wahnsinnig nervös: Der Richter erklärt die Verhandlung für eröffnet.
Charlotte Sandmann stellt Vicki ganz behutsam ein paar Fragen. Die sitzt, völlig schwarz gekleidet, mit schwarz umrandeten Augen und pechschwarz gefärbten Haaren trotzig auf ihrem Stuhl. Die Knie hat sie bis ans Kinn gezogen, an den Fingern kann ich viele scharfkantige Ringe aufblitzen sehen.
»Vicki, wir haben ja nun im Krankenhaus feststellen können, dass du tatsächlich sexuellen Verkehr hattest.«
Mit einem trotzigen Blick auf ihre Mutter, die leichenblass danebensitzt, nickt Vicki schließlich. »Ja. Weil der Mann aus dem Park mich vergewaltigt hat.«
Mein Herz rast. Ich sehe, wie Georg den Kopf schüttelt und wie Falk ihm beruhigend auf den Arm klopft. Der Richter und seine Beisitzer schauen wie gebannt auf den Bildschirm, die Protokollantin tippt eifrig.
»Wie war das denn nun ganz genau?«, fragt Charlotte Sandmann. »Ich würde einfach gern ein paar Einzelheiten wissen. Am besten, du fängst ganz von vorne an.«
»Ja, also … der Penner hat uns schon immer belästigt«, sagt Vicki mit stockender Stimme.
»Wer ist ›uns‹?«
»Ja, also … auch meine Freundin, die mit mir in eine Klasse geht.«
»Wie heißt die Freundin?«
»Fanny. Fanny Hempel.« Vicki zieht
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