Herzgesteuert: Roman (German Edition)
der Villa! Im Sonnenhang Nummer neun! Na, die werden ja auch immer dreister! Woher weiß denn so ein Bursche, welche Villa gerade leer steht?«, gebe ich mich echauffiert. »Und dann noch in diesem exklusiven Wohngebiet!« »Stell dir vor«, bauscht Karsten die Geschichte weiter auf. »Der war nicht etwa in der Garage oder im Geräteschuppen! Der war im Haus !«
»Wie ist er denn da bloß reingekommen?« Mir wird glühend heiß und gleichzeitig eiskalt. Das träume ich alles nur. Oder?
»Der Dreckskerl hatte es sich mitsamt seinem Einkaufswagen vor dem Kamin gemütlich gemacht!«, amüsiert sich Karsten. »Als wir kamen, machte er gerade Yoga!«
»Der machte Yoga? Wie abgefahren ist das denn!«
»Ja, der stand auf dem Kopf und hörte dabei eine Brahms-Symphonie!«
Karsten lacht nun aus vollem Hals, und ich starre ihn fassungslos mit offenem Mund an.
»Coole Geschichte, was?«
Plötzlich geht mir ein Licht auf. Deshalb war der vor zwei Wochen nicht mehr unter der Trauerweide, als ich ihm seine gebügelten Sachen und den Rotkäppchenkorb bringen wollte! Weil er in der Dirigentenvilla war! Aber wie um alles in der Welt … Mein Herz fängt an heftig zu klopfen. Er hat mich im Schlafzimmer telefonieren hören! Ich habe die Adresse laut und deutlich ins Handy gebrüllt, sogar mehrfach, während er von drinnen an die Kinderzimmertür klopfte!
Panik erfasst mich. Hilflos fasse ich mir an den dröhnenden Kopf.
Sollte ich einem … Profipenner zum Opfer gefallen sein? Einem durch und durch abgebrühten … Trickbetrüger, der arglose Maklerinnen mit inszenierten Scheinkatastrophen dazu bringt, die besten Adressen von leer stehenden Villen preiszugeben?
Mit aufgerissenen Augen sehe ich, wie sich Karsten grölend auf die Schenkel schlägt.
»Und ganz feine Klamotten hatte der an! Hemd und Krawatte, ein feines Sakko aus Tweed, Tuchhose mit Bügelfalte … Was ganz Ähnliches hab ich früher mal getragen, als ich noch rauchte und in so was reinpasste.«
Suchend blicke ich mich um. Kommt jetzt irgendjemand mit laufender Kamera hinter der Hecke hervor und ruft: »Verstehen Sie Spaß?«, bevor er Karsten als Lockvogel beglückwünscht?
»Was sagst du dazu, Juliane? Ist die Geschichte nicht total ulkig?«
»Ulkig. Ja. Äh, habt ihr die Polizei geholt?«
»Nicht nötig.« Karsten nippt genießerisch an seinem Kaffee und kostet die Spannung aus. »Der Penner war ausgesprochen höflich und hat sich vielmals entschuldigt und bedankt. Er hat uns sogar noch was von seinem Mittagessen angeboten.«
Ich spüre, wie ich knallrot anlaufe. Mittagessen. Der hat da gekocht!
»Stell dir vor, der hatte Bratkartoffeln mit Zwiebeln! Wir mussten erst mal gründlich lüften!« Jetzt lacht Karsten so, dass sein Bauch, über dem das Hemd spannt, wackelt. »Der Typ hat uns angeboten, den Rasen zu mähen oder sich sonst wie nützlich zu machen, aber wir haben gesagt, er soll sich verpissen. Schließlich war der Brezelkönig mit seiner Frau im Anmarsch.«
Karsten hört auf zu prusten und trinkt einen Schluck Kaffee.
»Hat er … Ich meine, wie ist der Penner denn überhaupt ins Haus gekommen?«
»Das haben wir ihn auch gefragt. Er sagte, er habe gewusst wo der Schlüssel hängt.« Karsten legt ungläubig die Stirn in Falten und stellt die Tasse ab.
»Aber das ist ja völlig ausgeschlossen. Solche internen Betriebsgeheimnisse werden doch nicht an streunende Obdachlose verraten, nicht wahr, Juliane?! So was würde doch niemand in unserer Branche machen! Das würde doch jedem Makler das Genick brechen.«
O Gott. Meine Vermutung stimmt. Ich massiere meine schmerzenden Schläfen.
»Von der Maklerin hat er es gewusst«, sagt er.
Jetzt schenkt Karsten mir das fieseste Lächeln des ganzen Planeten. »Aber es scheint tatsächlich Kolleginnen zu geben, die dem Kunden fernmündlich eine Immobilie zeigen wollen, was bekanntermaßen das größte No Go in unserem Beruf ist und wofür schon Makler ihre Lizenz entzogen bekommen haben.«
Mein Hals schnürt sich zu.
Karsten nimmt gelassen noch einen Schluck Kaffee: »Leute, die unsere seriöse Branche in Verruf bringen.«
Mein Magen zieht sich schmerzhaft zusammen.
Jetzt hilft nur noch die Flucht nach vorn.
»Das ist doch eine bodenlose Frechheit!«, schreie ich entrüstet. »Wie kommt ein Penner dazu, so dreist zu lügen?!«
Karsten schenkt mir einen spöttischen, wissenden Blick.
Meine Lippen sind fest aufeinandergepresst, damit ich mich nicht noch mehr verrate.
»Tja, das entzieht sich
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