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Herzgesteuert: Roman (German Edition)

Herzgesteuert: Roman (German Edition)

Titel: Herzgesteuert: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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Baumrinde schnitzen.
    Freudig erregt biege ich in den Park ein und schreite der Trauerweide entgegen.
    Von der benachbarten Kirche schlägt es Punkt neun.
    Na, der wird Augen machen! Ich sehe ihn schon vor mir, wie er sich schlaftrunken erhebt, sich mit seinen Wollhandschuhen die Augen reibt und mich anblinzelt, als wäre ich ein Engel, der ihm im Traum erscheint!
    Und das bin ich ja auch. Ein Engel. Deshalb fühle ich mich ja so euphorisiert.
    Noch zehn Meter, dann gibt es ein Charityevent der besonderen Art!
    Komisch. Sonst war ich immer sauer, wenn sich dieser Kerl auf meiner Lieblingsbank breitgemacht hat, aber heute habe ich sie ihm innerlich bereits großzügig abgetreten. Er hat das Trauerweiden-Verweilrecht. Meinetwegen.
    Doch die Bank unter der Trauerweide ist leer.

9
     
    Z wei Wochen später kommt Fanny mit der aufregenden Neuigkeit, dass Karsten und Kirsten Eltern geworden sind. Fanny hat nun eine Halbschwester.
    Genau wie ich. Das zieht sich durch unsere Familiengeschichte. Ob Fanny ihre kleine Halbschwester später mal genauso nervt wie Christiane mich?
    Ich weiß nicht, ob ich lachen oder weinen soll. Einerseits freue ich mich für meine Fanny, dass nun ein süßes kleines Schwesterchen ihr Herz erwärmt und sie auch in den Sommerferien beschäftigen wird.
    Andererseits bin ich nicht gerade scharf darauf, Karsten und Kirsten einen rosafarbenen Strampler zu schenken.
    Fanny fleht mich mit großen Augen an. » Du sagst immer, ich soll mich mit allen wieder vertragen. Auch mit der bescheuerten dicken Mathilde.«
    Sie schlägt mich schon wieder mit meinen eigenen Waffen. Also muss ich mich wohl mit dem bescheuerten dicken Karsten vertragen.
    »Wenn er mich nach dem Wochenende nach Hause bringt, kannst du ihn dann nicht auf einen Kaffee einladen? Ihr seid doch gemeinsam Eltern! Und Kollegen!«
    Ich verziehe das Gesicht: »Meinetwegen. Aber nur weil du es bist, Fanny.«
    Eigentlich will ich mit Karsten nicht mehr das Geringste zu tun haben.
    Aber es ist für ein Kind total belastend, wenn die Eltern nicht miteinander reden. Dass Karsten auch noch mein größter Konkurrent ist, kommt leider erschwerend dazu. Ich hasse es, wenn er mir mit seinem süßlichen Lächeln von seinen Immobilienverkäufen erzählt. Und so tut, als wüsste er alles besser als ich, als hätte er die besseren Beziehungen, die besseren Kunden und die besseren Häuser. Dieses überhebliche, selbstherrliche, nach außen hin so nette, harmlose, aber in Wirklichkeit total verschlagene, falsche, hinterhältige … Mir zieht sich der Magen zusammen, wenn ich daran denke, wie er mich hintergangen hat. Und wie er im letzten Moment noch das gesamte Firmengeld auf ein Nummernkonto nach Luxemburg gebracht hat.
    Ich bin einfach nur froh, dass ich ihn los bin.
    Aber Fanny zuliebe lasse ich ihn dann an diesem späten Maiabend auf meine Terrasse.
    Christiane aus dem Nachbarhaus nimmt das sehr wohl zur Kenntnis, ich sehe, wie ihre Wohnzimmergardine sich bewegt. Die läuft sich bestimmt schon mal warm zum Gackern und Flügelschlagen.
    Fanny umarmt mich stürmisch und berichtet mir von ihrem totaaal süüüßen Schwesterchen, und Karsten sitzt mit süßlichem Lächeln daneben und schlürft seinen Kaffee. Seit er mit Kirsten zusammen ist, trinkt er keinen Alkohol mehr. Dafür wird er immer dicker. Weil er nur noch Kuchen und Süßspeisen isst.
    »Wie heißt das Baby denn?«
    »Sheila Natascha!«
    Karsten und Kirsten haben doch einen an der Waffel.
    »Möchtest du Fotos sehen?«, fragt Karsten.
    »Nein.«
    »Mamaaa!«
    »Doch. Natürlich. Ich brenne darauf.«
    Karsten fummelt mit seinen dicken Wurstfingern an seinem Handy herum und hält es mir triumphierend unter die Nase.
    Ich tue wahnsinnig interessiert und versuche, nicht auf den ekligen Daumen mit dem angekauten Nagel zu starren, mit dem Karsten ein Babyfoto nach dem anderen auf den kleinen Handybildschirm klickt.
    »Wie süüüß!« Zumal Sheila Natascha ihrem Namen alle Ehre macht: Sie schielt. Ich frage gebührlich nach Kirstens Befinden und höre mir die Geburt in allen Einzelheiten an.
    Karsten tut so, als hätte ich noch nie etwas Annäherndes geleistet, und lobt Kirstens Leidensfähigkeit in allen Tönen. Die Tapfere! Dabei hatte sie eine Peridural-Anästhesie und ich nicht. Aber das zu erwähnen halte ich für unerquicklich.
    Nachdem ich das winzige Würmlein genügend bewundert habe, gibt Fanny sich zufrieden und rennt auf ihr Zimmer. Vorher sagt sie noch: »Ich mache ein Referat über

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