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Herzgesteuert: Roman (German Edition)

Herzgesteuert: Roman (German Edition)

Titel: Herzgesteuert: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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schalldichte Stadtwohnung in Festspielhausnähe«, sagt der Mann mit russischem Akzent und lächelt mich mit seinen Zahnkronen an. »Für Festspielgäste zu Fuß erreichbar. Nicht zu teuer und nicht zu spießig.«
    »Da sind Sie bei mir genau richtig«, strahle ich den Mann an, ziehe einen Stuhl heran und bitte den Interessenten, vor meinem Schreibtisch Platz zu nehmen. Dann setze ich mich und schlage kokett ein Bein über das andere. Ein recht attraktiver Mann, auch wenn er nicht mein Typ ist.
    Nun denn. Er prüft interessiert die Blickdichte meiner Seidenstrumpfhose.
    Sicher ist er Musiker, weil er eine schalldichte Wohnung will. Bariton vielleicht. Sieht er aus wie ein Sänger? Ein Halstuch vor dem Kehlkopf trägt er nicht. Trompeter? Saxofonist! Schlagzeuger!
    »Was genau stellen Sie sich denn vor?«, sage ich so charmant wie möglich und frage mich gerade, ob ich den Kerl sexy finde. Horn? Nein, da blähen sich immer so die Backen auf. Was ist denn noch laut? Posaune! Tuba! Kontrabass!
    Das erneute Klingeln meines Handys lässt mich schon wieder Geld wittern, man weiß in meinem Beruf nie, ob nicht der nächste Fisch der größere ist.
    »Sekunde bitte!« Zuvorkommend zeige ich auf den Aschenbecher, da der Kunde sich anschickt zu rauchen.
    Ein Blick aufs Display genügt: Es ist Christiane, die Glucke. Soll ich drangehen? Bestimmt will sie nur wieder gackern wie in 99,9 Prozent aller Fälle!
    Möglicherweise ist aber auch was mit Fanny? Sie ist nach der Schule oft bei Karsten, Kirsten und dem Baby. Sie geht viel mit dem Kinderwagen durch den Park. Vielleicht ist ihr schlecht geworden oder sie hat Liebeskummer. Vielleicht bekommt sie ihre Tage oder sie bekommt ihre Tage nicht ?!
    »Entschuldigen Sie kurz, aber ich muss …« Mein Lächeln verkrampft sich leicht: »Christiane, ist es dringend ?«, raune ich hinter vorgehaltener Hand.
    »Total dringend«, kräht Christiane mit geschwollenem Kamm. »Dringlichkeitsstufe eins !«
    Sofort fährt mir ein Schreck durch die Glieder. »Ist was mit dem Baby?«
    »Fanny will heute Nachmittag zu ihrer Schulfreundin Corinna auf einen Kindergeburtstag«, kräht die Glucke mit überkieksender Stimme in mein Ohr. »Und sie sagt, du hättest versprochen, ein Geschenk zu besorgen.«
    Das darf doch nicht wahr sein. Was ist denn daran dringend ? Dringlichkeitsstufe eins! Dass der Horizont meiner Schwester aber auch so begrenzt ist!
    »Christiane, ich bin hier gerade bei einem Kunden!«
    »Ja, aber das hat nichts damit zu tun, dass du ein Geschenk kaufen wolltest«, beharrt Christiane.
    Ich zittere immer noch vor Schreck. Die schlimmen Bilder von Rettungswagen und Unfallkrankenhaus waren schon vor meinem inneren Auge vorbeigezogen.
    »Christiane, können wir das später besprechen?« Der Kunde zieht die Augenbrauen hoch, bläst mir seinen Zigarettenrauch ins Dekolleté und scheint nur mäßig begeistert zu sein von meinem Telefonat.
    »Nein, das können wir nicht später besprechen, denn Fanny möchte jetzt gleich zu dem Kindergeburtstag beziehungsweise vorher noch in die Stadt, um eigenmächtig ein Geschenk zu kaufen. Sie sagt, ich soll ihr Geld geben für ein Computerspiel , und das kostet siebzig Euro, und das sehe ich gar nicht ein , dass man einer Dreizehnjährigen ein so teures und dazu noch überflüssiges Geschenk macht. Außerdem möchte Fanny ganz allein mit dem Bus zum Mediamarkt fahren … ich bin doch nicht blöd!«, gackert Christiane. »Und das mit dieser Vicki ist mir sowieso nicht geheuer, das Mädchen ist überhaupt kein Umgang für unsere Fanny. Die schminkt sich schon, hat ganz schwarze Ränder um die Augen, geht ganz in Schwarz gekleidet und hängt am Fluss herum …«
    Und der Russe blicket stumm auf dem ganzen Tisch herum. »Moment, noch, ich habe da was ganz Tolles für Sie«, raune ich ihm hinter der vorgehaltenen Hand zu, während er ärgerlich seinen Zigarettenstummel in meinem Aschenbecher ausdrückt.
    »Ein traumhaftes, exklusives Top-Apartment am Neutor, nur ein Katzensprung vom Festspielhaus entfernt!« Mit der freien Hand greife ich nach der Proseccoflasche, entkorke sie mit den Zähnen und schütte in meinem ungeschickten Eifer ein Sektglas so voll, dass es überschäumt. Der Kunde schüttelt den Kopf. Christiane zetert ungehindert weiter, und ich sage: »Fanny wird bald dreizehn, und sie darf allein in den Mediamarkt fahren! Diese schwarz geschminkte Vicki ist jetzt kein Thema! Und ruf mich nie mehr während der Arbeit an. Verstanden?«
    Mit diesen

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