Herzgesteuert: Roman (German Edition)
Schultern. Jetzt reiß dich mal zusammen, befehle ich mir streng. Konzentrier dich auf deine Arbeit.
Das ist meine Welt. In der Liga spiele ich. Dieser Mann aus dem Park bringt uns noch total auseinander! Schadensbegrenzung ist angesagt! Mit entschlossener Geste streiche ich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
Ich hatte ganz vergessen, wie sehr mich Konflikte mit meiner Tochter aus der Bahn werfen! Sobald ich einen Moment Luft habe, werde ich mit ihr reden.
Jawohl, das werde ich tun. Wir müssen unbedingt in den Herbstferien verreisen, nur sie und ich. Wenn der ganze Festspielrummel vorbei ist.
Dann geht ihr der Mann aus dem Park sicher aus dem Kopf.
Und mir auch.
Als die Trockenpflaume erneut in der Tür auftaucht, setze ich schnell ein professionelles Lächeln auf.
»Der Kunde ist sehr in Eile! Er möchte jetzt eine Vorauswahl treffen!« Meine Sekretärin senkt die Stimme und raunt: »Er sagt, er hat noch zwei weitere Angebote – von der Konkurrenz!«
Einen Kloß von der Größe eines Germknödels herunterschluckend, angele ich nach meinen Schuhen und schlüpfe hastig hinein. Ich schaffe das schon. Natürlich schaffe ich das. Ich bin ein Profi.
Der Kunde darf niemals merken, dass eine Maklerin privat Probleme hat. Ich bin eine perfekte Dienstleisterin, die hundertprozentig auf die Wünsche und Vorstellungen ihrer Kunden eingeht. Und wenn sie noch keine Wünsche und Vorstellungen haben, dann wecke ich sie eben.
Formvollendet begrüße ich den Kunden, einen jungen Unternehmensberater, der in Salzburg ein repräsentatives Einfamilienhaus sucht. Mit der üblichen Mischung aus Eleganz und Lässigkeit steige ich mit ihm in meinen Mercedes-Bus, entschuldige mich lachend dafür, dass noch ein paar Antiquitäten und Teppiche hintendrin liegen.
Als wir vor dem freundlichen Einfamilienhaus in Aigen aus dem Wagen steigen, habe ich den Penner schon wieder völlig vergessen.
»Fanny hat eine beste Freundin!« Kikerikiiiii! Die gackernde Schwester ist wieder hie!!!
»Na endlich«, sage ich, während ich mir die Riemchensandaletten von den angeschwollenen Füßen streife. Total erschöpft und ausgelaugt lehne ich mich gegen die Küchenanrichte. »Ich bin also doch keine Rabenmutter, die bei ihrem Kind Bindungsängste ausgelöst hat, nur weil ich Karsten verlassen habe.«
Bilde ich mir das ein, oder riecht es hier ein bisschen süßlich nach … Gras?
»Aber das habe ich doch nie gesagt «, gackert das aufgeregte Schwesterhuhn.
»Trotzdem solltest du dir das Mädel mal anschauen ! Ganz in Schwarz ist die gekleidet, ist noch nicht mal vierzehn und hat ein Piercing in der Augenbraue. Sie heißt Viktoria und ist ein Emu!«
»Ein was?«
»Ein Emu ! Das sind junge Leute, die kleiden sich Schwarz, ritzen sich die Handgelenke auf, schwänzen die Schule, sitzen an der Salzach im Gras, trinken Bier und kiffen!«
Ja, diesen sogenannten »schwarzen Fleck« unter dem Mozartsteg habe ich auch schon gesehen. Immer wenn ich zu Billa eile, um das Vollwertbrot und den Bio-Aufstrich von der Frischetheke zu holen, damit Fanny ein nahrhaftes Pausenbrot hat. Und jedes Mals habe ich mir dabei gedacht, was das wohl für Mütter sind, die ihre Kinder so verwahrlosen lassen, dass sie sich wie schwarze Ratten unter der Brücke balgen.
»Also wenn du meine Meinung hören willst: Diese Vicki landet in der Gosse oder wird mit vierzehn schwanger«, ereifert sich Christiane. »Das ist überhaupt kein Umgang für unser Kind!«
»Wie kommt Fanny denn an die?«
Stirnrunzelnd schenke ich mir ein Glas Wein ein und wackle mit den Zehen, damit die Blutzirkulation wieder in Gang gesetzt wird.
»Das Mädel ist schon zweimal sitzen geblieben. Jetzt ist es in Fannys Klasse und sitzt neben ihr. Fanny hat ihr in Mathe geholfen«, jetzt flattert Christiane wild mit den Flügeln, und ich hoffe, dass sie durchs Küchenfenster davonfliegt. »Diese … verkommene junge Göre mit dem frechen Blick war nämlich schon hier ! Hier am Küchentisch hat die gesessen und wollte nichts essen – klapperdürr ist die, weil alle Emus magersüchtig sind. Und ich sage dir, die wollen nur Aufmerksamkeit erregen, wahrscheinlich, weil sie keine Nestwärme bekommen.«
»Das heißt ja noch lange nicht, dass sie Fannys beste Freundin ist«, widerspreche ich und trinke noch einen Schluck.
»Doch«, regt sich Christiane auf und würde wohl am liebsten die gesamte Arbeitsplatte mit ihrem Wischlappen wegradieren, wenn sie könnte. »Fanny ist total glücklich, dass
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