Herzgesteuert: Roman (German Edition)
Verzweiflung packt mich.
Georg! Du hast mein Leben total durcheinandergebracht!
Du hältst mir pausenlos den Spiegel vor, und ich schäme mich für alles, was ich getan habe! Dabei bin ich vor Liebe und Sehnsucht zu dir ganz krank!
So kann das nicht weitergehen. Meine heile Welt gerät ins Wanken, meine Familie zerfällt, meine Karriere droht den Bach runterzugehen. Mein guter Ruf ist ruiniert, ich gelte als unzuverlässig und zwielichtig!
Das kann nicht der Preis dafür sein, dass wir uns lieben, Georg.
Der Preis ist zu hoch! Bitte verschwinde aus meinem und aus Fannys Leben!
O Gott, sie wird ihn so vermissen! Er war wirklich ihr bester Freund!
Mir entfährt ein gequältes Wimmern, das Christiane immerhin dazu veranlasst zu schnattern: »Ist dir nicht gut, Juliane? Du siehst aus wie ausgespuckt!«
»Mir geht es nicht so besonders«, antworte ich schwach. »Um ehrlich zu sein, wäre ich jetzt gern ein bisschen allein.«
Mühsam schwanke ich ins Bad, wo ich auf den Badewannenrand sinke.
»Musst du dich übergeben, Juliane?« Christiane hämmert von außen an die Tür. »Bring vorher dein Chanel-Kostüm in Sicherheit! Das kann man nicht reinigen lassen!«
Mit letzter Kraft drehe ich den Schlüssel herum. Ihre entrüsteten Schritte entfernen sich, und ich höre sie in der Küche wütend mit Geschirr klappern.
Okay. Überleg, Frau. Du musst jetzt einen Entschluss fassen.
Und den dann auch konsequent umsetzen.
In mir reift ein wahnwitziger Gedanke. Meine Gehirnzellen arbeiten auf Hochtouren.
Mein Herz rast, aber genau das wäre es.
Ja. So könnte es gehen.
Ich werde ihm das verdammte Geld einfach in seinen Einkaufswagen legen. Ganz unten, versteckt unter seinen Plastiktüten. Niemand wird auch nur ahnen, dass eine so große Summe Geld darin liegt. Ich werde mich ganz unauffällig an den Wagen heranschleichen und den Koffer darin deponieren.
Dort wird Georg ihn finden und endlich verstehen.
Ja. Das mache ich. Jetzt. Wild entschlossen schnappe ich mir den Geldkoffer, ignoriere das Gezeter meiner Schwester und renne aus dem Haus.
Mein Herz rast, meine Zunge klebt am Gaumen und meine Haare kleben am Kopf, während ich im zerknitterten Businesskostüm von gestern auf meinen inzwischen arg mitgenommenen Riemchenpumps durch den Park hetze. Ich halte den Blick gesenkt, als ich mit meinem Koffer unter dem Arm in die Nähe der Trauerweide komme. Aus den Augenwinkeln sehe ich den altbekannten Einkaufswagen dort stehen. Wie erhofft, ist die Bank leer. Nervös schleiche ich mich an den Wagen heran.
Die Plastiktüten flattern im Wind.
Wie eine Diebin schaue ich mich um: Die Leute gehen unbeteiligt an mir vorbei. Keiner ahnt etwas von meiner inneren Zerrissenheit.
Als gerade mal niemand zu sehen ist, umklammere ich beherzt den Griff und schiebe den Wagen gänzlich unter die Trauerweide, wobei mir Zweige die Arme zerkratzen. Ratsch! Mist! Jetzt ist das schöne teure Chanel-Kostüm auch noch irgendwo eingerissen! Egal! Eilig stopfe ich den Geldkoffer unter die Plastiksäcke. Wird Georg ihn überhaupt finden? Doch. Er wird spüren, dass sein Wagen schwerer ist als sonst. Nicht darüber nachdenken, dazu ist jetzt keine Zeit. Den Wagen lasse ich im Schatten der Zweige im dichten Geäst stehen, damit Georg merkt, dass jemand sich daran zu schaffen gemacht hat. Rückwärts krieche ich wieder unter der Trauerweide hervor.
So. Das wär’s. Bitte, lieber Georg, finde den Koffer. Sei mir nicht böse, ich will mich nicht freikaufen. Ich will dir nur einen kleinen, liebevollen Tritt geben und dich wieder zurück ins Leben schubsen. Vielleicht erscheint dir das heute brutal, aber ich tue es, weil ich ganz fest an dich glaube.
Nimm es als Abschiedsgeschenk, Georg. Bitte! Fang ein neues Leben damit an. Bitte vergiss mich. Nein, bitte vergiss mich nicht. Ich werde dich auch nie vergessen. Aber … es geht nicht. Es gibt kein Leben, in dem wir beide Platz haben. Ich bin unfassbar traurig.
Nach vorne schauen, Juliane. Alles wieder geradebiegen.
Jetzt ist nur noch Fanny wichtig. Wie in Trance hetze ich weiter.
Lieber Gott, bitte lass mich jetzt nicht Georg begegnen. Tränenblind stolpere ich über den Rasen.
Da vorne ist wieder diese Vicki, Fannys neue »Freundin«, sie albert mit einem anderen schwarzhaarigen Mädchen und einem schlaksigen Jungen herum.
Diesmal traue ich mich nicht, laut Fannys Namen zu rufen, aus Angst, sie könnte mich entdecken und möglicherweise weglaufen. Nein. Kein blonder Pferdeschwanz weit und
Weitere Kostenlose Bücher