Herzgesteuert: Roman (German Edition)
… ich soll dich schön grüßen!«
Die anderen Schüler fangen an zu kichern, einige nutzen die Unterbrechung geschickt aus, um ihren Hals zum Nachbarn zu verrenken.
Sofort fliegen Zettel und Zahlen durch die Luft.
Rottweiler springt auf. »Ruhe! Setzen!«
»Mamaaa! Wir schreiben hier eine Mathearbeit!«
»Ich muss Sie bitten, sofort den Raum zu verlassen«, bellt der Rottweiler und fletscht die Zähne. Gleich schnappt er zu.
»Ich wollte einfach nur wissen, wo du bist«, seufze ich, halb beschämt, halb erleichtert, und ziehe die Tür wieder hinter mir zu. Ich lehne mich an die Wand und sinke zu Boden.
Sie ist da drin. Sie schreibt ihre Arbeit. Sie hat noch einen blonden Pferdeschwanz. Sie ist noch kein Emo. Ich kann sie noch retten. Wir müssen hier weg, alle beide. Ich werde nur noch ein bisschen hier sitzen bleiben und warten, bis sich mein Kreislauf wieder beruhigt hat. So. Geht schon wieder. Ich rappele mich auf und bekämpfe ein leichtes Übelkeitsgefühl.
Da öffnet sich die Tür, und Fanny kommt herausgeschlüpft. Sie ist knallrot vor Aufregung. Besorgt schaut sie auf mich herab.
»Mama! Spinnst du? Wieso platzt du hier rein? Der Rottweiler ist voll sauer«, zischt sie mit einem Seitenblick auf die Klassentür. »Er sagt, das ist ganz klar ein Täuschungsversuch, und du hast mir schon mal meine Aufgaben ausgerechnet, als du ihm morgens um sieben eine Mail geschrieben hast. Jetzt hat er die Schnauze voll und bewertet meine Arbeit nicht!«
Sie sprüht vor Zorn. »Dabei hatte ich super gelernt mit Georg! Ich hätte eine Eins geschrieben!«
Mir sinkt das Herz in die Kniekehlen. Alles mache ich falsch, einfach alles!!
»Nein! Das wollte ich nicht! Mein Schatz, es tut mir so leid!«
Mit Entsetzen sehe ich zwei dicke Tränen über Fannys Wangen rollen.
»Liebes! Ich habe mir solche Sorgen um dich gemacht! Ich habe dich gesucht!«
»Hä? Seit wann suchst du mich morgens um halb elf in der Schule?« Ein wilder Schluchzer löst sich aus Fannys Brust. »Immer wenn du hier auftauchst, kriege ich Riesenärger mit dem Rottweiler!«
»Wo warst du heute Nacht?«, frage ich statt einer Antwort.
»Na, im Bett! Wo sonst?«, heult Fanny empört.
»In welchem?«, frage ich schwach und reiche ihr ein Taschentuch.
»Hallo, Mama?« Fanny wedelt mir mit der Hand vor dem Gesicht herum. »In meinem natürlich!« Sie schnäuzt sich die Nase. »Ich habe gelernt, bis mir die Augen zugefallen sind, und dann bin ich eingeschlafen!«
Wie konnte ich nur eine Sekunde an meinem zuverlässigen, klugen Mädchen zweifeln?
»Es tut mir so wahnsinnig leid«, stammele ich und versuche sie zu umarmen.
Sie entwindet sich und schaut mich zornig an. »Aber in welchem Bett warst du ?«
Ich verdrehe die Augen und kämpfe gegen die Übelkeit an.
»In gar keinem …«, hauche ich schwach. »Ich hatte die ganze Nacht zu tun …«
»Mama, du lügst mich an, du spielst mir was vor. Ich weiß , dass du mir irgendwas verheimlichst und dass du ein schlechtes Gewissen hast. Aber jetzt dreh den Spieß nicht um und behaupte, dass du dir Sorgen um mich machst!« Wütend wendet sie sich von mir ab. »Du hast immer gesagt, wir beide haben keine Geheimnisse voreinander. Aber du machst ständig Dinge hinter meinem Rücken und mischst dich dauernd in mein Leben ein.« Jetzt rennt sie schon den Gang hinunter, und ihr Pferdeschwanz wippt wütend auf und ab.
»Fanny!«, rufe ich gedämpft. »Bitte lass uns doch reden!«
»Tauch hier nie wieder auf!«, brüllt Fanny, und dann höre ich nur noch ihre Schritte im Treppenhaus verhallen.
O nein. Dieser Albtraum nimmt immer noch kein Ende.
Ich bin zu schwach, um mich jetzt mit Rottweiler auseinanderzusetzen.
Ich traue mich da nicht noch mal rein.
Mühsam trotte ich auf den Ausgang zu.
Ich muss mit Rottweiler reden. Unbedingt.
Aber nicht heute.
Verschieben wir es doch auf morgen.
Als es gegen Mittag an der Haustür klingelt, erwache ich mit schalem Geschmack im Mund aus einer Art Totenstarre. Ich habe mir drei Aspirin reingezogen, das Telefon ausgesteckt und das Handy ausgemacht. Zuerst habe ich nur bewegungslos auf dem Rücken gelegen und fassungslos an die Decke gestarrt. Georg. Fanny. Christiane. Vicki. Der Rottweiler. Die Emos. Karsten. Der Prinz von Zamunda. Fanny. Georg. Fanny. Vicki. Georg.
Aber irgendwann muss ich eingeschlafen sein.
Mein Gott. Es klingelt schon wieder. Heftiger diesmal.
Wer ist das? Ich schaue mühsam auf den Wecker, der auf meinem Nachttisch steht. Halb
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