Herzgesteuert: Roman (German Edition)
breit.
Sie wird sich doch nicht von gestern auf heute die Haare pechschwarz gefärbt haben? Mein Herz will sich gar nicht wieder beruhigen! Wie eine Furie hetze ich hin und her und starre den Kindern ins Gesicht, die einfach nur albern kichern.
»Da ist die nervige Alte schon wieder!«
»Guckt mal, wie fertig die aussieht! Das schöne teure Kostümchen!«
»Die hat bestimmt gekifft, hahaha!«
»Eh, willst du Mitglied bei uns werden?«, lallt ein dünner Lulatsch auf einem Skateboard. Seine Jeans hängen ihm fast bis zu den Kniekehlen, sodass man seine schwarze Unterhose in Gänze bestaunen kann.
An seinem Gürtel prangt ein silberner Totenkopf.
»Dann musst du dir aber die Haare färben«, lacht eine dicke Pickelige. »Auf blonde Tussen stehen wir nicht!«
»Ey, pass auf, die ist vielleicht von der Polizei!« Einer tritt schnell eine Zigarette aus, ein anderer spuckt irgendwas aus.
Nachdem ich dreimal die ganze Gruppe abgesucht habe, stelle ich fest, dass Fanny nicht dabei ist. Ich nehme all meinen Mut zusammen und gehe zu Vicki hinüber, die inzwischen auf einer alten Decke mit dem jungen Kerl herumschmust. Das ist noch milde ausgedrückt: Sie lecken sich wie junge Hunde ab! Das scheinen sie cool zu finden.
Angewidert möchte ich mich abwenden, zwinge mich aber, sie anzusprechen. Ich räuspere mich: »Hallo, Vicki! Weißt du, wo meine Tochter Fanny ist?«
Vicki rappelt sich auf und schaut mich an, als hätte ich nicht alle Tassen im Schrank. »Ey, ham Sie sonst kein Problem?!«
»Hat sie heute hier mit euch übernachtet?«
»Quatsch! Wer erzählt denn so’n Scheiß!«, lallt Vicki und nimmt vor meinen Augen einen großen Schluck Bier.
Ihr Schmuserattenjunge lacht, und ich sehe ein paar ungepflegte Zähne.
»Die Kleine? Die war gestern Abend hier.«
»War sie nicht !« Vicki stößt dem Kerl ziemlich unsanft zwischen die Rippen.
»Die ist doch gleich wieder gegangen, du Depp!« Zu mir gewandt sagt Vicki ein wenig höflicher: »Die wollte noch’n Spaziergang machen oder so. Sie meinte, sie sucht wen.«
Gespannt wie ein Flitzebogen starre ich die beiden an. »Hat sie auch gesagt, wen sie sucht?«
»Ihren Hund!«, lallt einer, der von hinten heranschwankt. »Wir suchen hier immer unseren Hund!«
Dröhnendes Gelächter ist die Folge.
Ich zucke zusammen und möchte mir die Ohren zuhalten.
»Müsstest du nicht eigentlich in der Schule sein?«, frage ich Vicki streng und wickle einen Grashalm um meinen Finger. »Du bist doch in Fannys Klasse!«
Statt einer Antwort geht Vicki zum Gegenangriff über.
»Frau Hempel, mich geht’s ja nichts an, aber ich würde an Ihrer Stelle ein bisschen besser auf meine Tochter aufpassen«, posaunt Vicki hinaus.
Meine Augen werden zu schmalen Schlitzen. »Wie meinst du das?«
»Na wenn Sie’s unbedingt wissen wollen …« Sie bricht ab und trinkt einen Schluck Bier. »Ach, was soll’s.«
Ich schüttele sie am Arm, den sie sofort heftig wegzieht: »Los, red weiter!«
»Na, ihr Umgang !«, äfft sie Christianes Stimme nach. »Mit was für Läusen … ähm … Leuten die sich abgibt!« Sie schlägt sich auf die Schenkel vor Lachen, und der ganze Pöbel johlt mit.
Jetzt weiß ich endgültig, wen sie meint. Georg. Sie zieht über meinen Georg her! Der niemals mit der Bierdose irgendwo herumsitzt, der gebildet ist, Charakter hat und wahrlich einen Grund hat, hier herumzuhängen. Aber diese nutzlosen jungen Gören, die noch nichts im Leben geleistet und erlebt haben …
Grußlos stolpere ich über die steile Böschung davon. Ich habe genug gehört.
23
D iesmal ist es mir völlig egal, ob ich Fanny in der Schule blamiere.
Ich klopfe heftig an die Klassentür und stolpere ungefragt hinein. Es herrscht eine angespannte, konzentrierte Stille, der Raum steht vor Schülerschweiß. Offensichtlich schreiben sie gerade eine Prüfungsarbeit!
Mein Blick irrt suchend im Raum umher.
Dreißig erstaunte Schüleraugenpaare ruhen befremdet auf mir. Na toll.
Der Rottweiler sitzt an seinem Pult und schaut mich fragend an: »Sie wünschen?«
»Äh, nichts, ich wollte nur gucken, ob meine Tochter hier ist …«
»Mamaaa!«, schallt es peinlichst berührt aus der vorletzten Reihe. Da sitzt sie, ganz hinten links am Fenster, und löst gerade komplizierte Gleichungen. Ihre Wangen sind gerötet, und mein plötzliches Auftauchen versetzt sie in Panik. »Was ist los?!« Sie springt auf. »Hast du ihn … gefunden?«
»O ja, alles bestens, er sitzt wie immer … also, ich wollte
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