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Herzhämmern

Titel: Herzhämmern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: cbt Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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ich das Fenster ein.«
    »Brauchst du nicht«, sage ich. »Beim ersten Steinchen bin ich wach.«
    »He, Martina«, meldet sich Ecke, »wenn du Schokolade hast, dann bring sie mit.«
    »Okay. Reichen zwei Tafeln?«
    »Für mich schon.« Ecke grinst. Dann sagt er: »Klar reicht das.«
    »Da wäre ich mir nicht so sicher«, mischt sich Alexander ein. Er hat glasige Augen und eine schwere Zunge. »Nimm lieber eine Wochenrat... rat... ratzzzzi... Scheiß.« Sein Kopf sinkt auf den Tisch.
    »Vorrat, Alex, wenn du Ration nicht herausbringst«, hilft ihm Ecke.
    Alexander hebt das Gesicht: »Einen Vor... was wollte ich sagen?«
    Ecke drückt ihm sanft die Nase wieder auf den Tisch. »Schlaf deinen Rausch aus, Alex«, sagt er.
    Bonni wiehert.
    Shelley hebt die Hand.
    Ich weiß nicht, ob er mir nur einen Gutenachtgruß zuwinken will, das kann möglich sein, ich werde es nie erfahren. Denn mit einem Schritt bin ich bei ihm und schlage beherzt meine Handfläche gegen seine. Da hebt auch Ecke die Hand und reckt sie mir entgegen. Und zuletzt Bonni. Alex liegt bewegungslos auf dem Tisch. Ich berühre seine Schulter und hauche: »Gute Nacht, Alter.«
    Dann gehe ich erhobenen Hauptes hinaus - ich fühle mich großartig.
    Doch als ich in meinen Schlafsack krieche, fällt mir Kevins letzte Bemerkung ein und nimmt mir die ganze Freude; wenn etwas feststeht, dann, dass mein Vater mein Vater ist. Und diesem blöden Cousin stopfe ich eines Tages das Maul. Mein Vater und meine Mutter hatten eine gemeinsame Wohnung; mein Vater studierte, und meine Mutter verdiente die Brötchen, sie arbeitete im selben Sportladen, in dem sie heute noch Judoanzüge und Hanteln und Inlineskates verkauft. Dort im Laden hätten sie sich theoretisch auch kennenlernen können, aber sie haben sich beim Freeclimbing kennengelernt. In der kleinen Wohnung, in der meine Mutter und ich leben, haben sie mich gezeugt. Das ist sicher wie nichts sonst auf der Welt. Jedenfalls für meine Mutter und mich. Dass sie nicht geheiratet haben, bedeutet gar nichts. Selbst der Idiot Kevin müsste das wissen. Ich habe eine solche Wut, dass ich den Schlafsack sprengen könnte. Und plötzlich weiß ich, warum ich so zornig bin - nicht wegen Kevin, der kann gar nicht so viel Adrenalin in mir produzieren. Es ist, weil die Bemerkung, die er gemacht hat, nicht auf seinem Mist gewachsen ist.
    Martin wird schon gewusst haben, warum er deine Mutter nicht geheiratet hat . Das ist typische Erwachsenensprache und stammt von seinen doofen Eltern; nicht umsonst hat mir vor ihrer falschen Freundlichkeit immer gegraut. Ich wälze mich zornig auf die andere Seite; der Schlafsack wickelt sich mit jeder Bewegung enger um meine Beine, sodass ich mir bald wie ein verschnürtes Paket vorkomme. Als die Mädchen ins Zimmer einfallen, habe ich mich gerade freigeschafft und neu zurechtgelegt. Ich drehe mich zur Wand, und was von meinem Gesicht noch zu sehen wäre, bedecken die Haare. Weil ich mich absolut nicht rühre, werden die Mädchen allmählich sorglos, und ich erfahre, dass mich die beiden aus der Parallelklasse für unerträglich hochnäsig halten, ich würde ja echt gut aussehen, aber vielleicht sei ich gerade deswegen so eingebildet, und überhaupt sei ich sowieso total verstrebt, so eine wie ich, die brauche gar keine Freundin, die brauche nur gute Noten zum Vorzeigen bei ihrer Mami …
    Es macht keinen Spaß, sich so etwas anzuhören, und ich beschließe, mich auf die andere Seite zu drehen. Das Getuschel hört sofort auf.
    Gute Noten, das soll wohl ein Witz sein, für gute Noten bin ich in der Schule viel zu still, und meine Mutter legt auch wenig Wert darauf, ihr wäre es lieber, ich würde eine Lehre machen und nicht an Abitur und Studium denken. Sie würde sich wünschen, dass ich von meinem Vater nicht das Bedürfnis zu studieren, sondern lieber das andere geerbt hätte: seine Leidenschaft für Sport.
    Aber darin bin ich eben eine totale Versagerin. Vielleicht schlägt bei mir irgendein furchtsamer Urgroßvater durch; es gibt in den Unterlagen meines Vaters tolle Schaubilder zur Vererbungslehre; danach hat ein Mensch namens Mendel verschiedene Sorten Kaninchen gekreuzt, auch mit Erbsen und Löwenmäulchen hat er es versucht, und was dabei herauskam, sind die Mendel’schen Vererbungsgesetze. Ein rot blühendes Löwenmäulchen mit einem weiß blühenden gekreuzt, ergibt in der ersten Tochtergeneration vier rot blühende. Das weiße Merkmal ist aber nicht untergegangen, es taucht in der zweiten

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