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Herzhämmern

Titel: Herzhämmern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: cbt Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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Viertel vor sieben. Ich tappe an den schlafenden Mädchen vorbei und gebe Bonni ein Zeichen, dass ich ihn gehört habe. Ich frage mich, ob ich nun eigentlich geschlafen habe oder nicht; ist das Tageslicht so schleichend gekommen, dass ich nichts davon bemerkt habe, oder bin ich tatsächlich gegen Morgen noch in einen leichten Schlaf gefallen?
    Ich fühle mich furchtbar. Hellwach und zugleich todmüde. Mit weichen Knochen und Schlabbermuskeln. Mit einer Million rötlicher Punkte auf käsiger Haut. Mit einer Verengung im Hals. Mit einem Magen, der meldet, dass er vorhanden ist und über der Gürtellinie sitzt und unangenehm werden kann. Ich gehe ungefähr so aufrecht wie ein nasser Wischlappen.
    Als ich fröstelnd im Hof stehe, kommt Shelley mit zwei Thermosflaschen und einem Lunchpaket aus dem Haus. Ecke und Bonni kramen drüben im offenen Schuppen herum.
    Shelley lächelt. »Morgen«, sagt er und stellt das Zeug auf einen Gartentisch.
    »Morgen«, antworte ich mit kalten Lippen. Mein Handschlag fällt nicht sehr beherzt aus.
    »Müde?«, will er wissen.
    Ich nicke stumm.
    »Das vergeht«, meint er.
    Meine einzige Hoffnung, in der Tat.
    »Morgen, Feuerkopf«, ruft Bonni.
    »Feuerkopf?« Ecke dreht sich um. Er betrachtet mich und grinst. »Wir gehen heute ohne Lampen.«
    »Wieso?«, frage ich beunruhigt.
    Die drei tauschen Blicke und wiehern.
    »Wir schicken dich voraus, Feuerkopf«, sagt Ecke. »Ist deine Batterie geladen?« Er drischt mir einen Schlag in die Hand, der mich beinahe aus den Schuhen hebelt.
    Jetzt kommt Bonni mit ausgestreckter Hand auf mich zu und ich wappne mich. Er holt aus. Doch im letzten Moment bremst er und aus dem erwarteten Schlag wird eine sanfte Berührung.
    Ich bringe ein dünnes Lächeln zustande und spüre, wie ich rot werde. Alle meine Punkte fangen zu glühen an. Ich bin auch der Meinung, dass wir uns die Lampen sparen können, meine Birne leuchtet wie eine abgefeuerte Silvesterrakete.
    Zugleich hat sich aber mein Magen für den Moment beruhigt. Und auch die Beine stehen solide auf dem Kies.
    »Ecke, du Böser«, sagt Shelley, »macht man vor dem Frühstück schon ein Mädchen fertig?« Mir flüstert er zu: »Das ist der pure Neid.« Er lächelt mich blitzschnell und ganz lieb an, so kurz nur, dass es auch Einbildung gewesen sein kann.
    »Mich macht keiner fertig«, sage ich forsch.
    Ich mache mich schon selber fertig. Mit Nachtangst und solchem Quatsch.
    Bonni streckt mir ein lehmbraunes Gebilde entgegen, das einer Erdverwerfung ähnelt. Ich greife zimperlich danach. Es ist so schwer, wie es aussieht, und kracht zu Boden, wo es wie die Alpen in Miniatur stehen bleibt.
    Es ist Alexanders Overall.
    Als ich das nasse, lehmstarre Miniaturgebirge halbwegs geglättet habe, hilft mir Shelley hineinzusteigen. Er flucht halblaut auf Alexander, den Trottel , der zu faul war, den Overall wenigstens aufzuhängen. So gut es geht, spachtelt er mit der Hand Lehm von meinen Beinen und schleudert ihn aus dem Schuppen.
    Ecke steigt in seinen Overall und sagt ungerührt: »Alles für die Katz. Du bist keine fünf Minuten in der Höhle, dann siehst du wieder genauso aus.«
    »Aber wenigstens hineinkommen soll sie«, gibt Shelley zurück. »Du kannst ihr ja gleich Blei an die Beine hängen.« Mit verkrusteten Bändern schnürt er die Hose über meinen Socken fest.
    Ich versuche, die starren Ärmel umzukrempeln. Aber Shelley schüttelt den Kopf. Er teilt mit dem Messer eines der Bänder in zwei Teile und befestigt damit die Ärmel an meinen Handgelenken.
    Bonni stülpt mir Alexanders Helm über den Kopf. Es wird dunkel um mich. Ich versuche, mir vorzustellen, wie ich aussehe. Und vor allem, wie ich agieren soll. »Ähh - habt ihr vielleicht auch einen Blindenstock?«, erkundige ich mich.
    »Man kann den Helm innen verstellen«, sagt Shelley. »Soll ich dir helfen?«
    »Ich versuch’s selber.« Damit nehme ich den Topf ab und fummle an seinem Innenleben herum.
    Während ich noch damit beschäftigt bin, fängt Bonni zu jammern an, dass so ein nasser, schmutziger Anzug ganz schön beschissen sei. Ich habe große Lust, ihm zuzustimmen. Aber ich beherrsche mich; ein untrügliches Gefühl sagt mir, dass ein Mädchen sich in dieser Situation jede Äußerung gut überlegen sollte; ein Junge, der bleibt ein Junge, auch wenn er jammert.
    »Brauchst du ein Daunenbett, Alter?«, brumme ich.
    »Was?« Er starrt mich an.
    »Und eine Wärmflasche?«
    Er schnappt nach Luft. »Du! Gerade frisch dabei und schon Töne

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