Herzklopfen auf Französisch - Perkins, S: Herzklopfen auf Französisch
Clair?
»Oder wie wäre es damit?« Professeur Cole schlendert zu den hohen Fenstern hinüber. »Egal, wie treu der Übersetzer dem Text zu sein glaubt, er bringt immer seine eigenen Lebenserfahrungen und Meinungen in seine Entscheidungen ein. Vielleicht nicht bewusst, aber jedes Mal, wenn er zwischen zwei Bedeutungen eines Wortes wählen muss, entscheidet er danach, was er für richtig hält, und das basiert wiederum auf seiner eigenen persönlichen Erfahrung mit diesem Thema.«
Persönliche Erfahrung. So wie ich angenommen habe, dass St. Clair auch dieses Mal wieder zu Ellie zurückgelaufen ist, nur weil er es vorher die ganze Zeit getan hat. Ist das damit gemeint? Und lag ich richtig? Ich bin mir nicht mehr so sicher. Das ganze letzte Schuljahr habe ich damit verbracht, von Verlangen und Kummer, Ekstase und Verrat erdrückt zu werden, und es wird immer schwerer, die Wahrheit zu erkennen. Wie oft kann man seine Gefühle an die eines anderen Menschen binden, an ihnen zerren, sie überspannen und verdrehen, bis sie zerreißen? Bis sie nie wieder geflickt werden können?
Die Stunde ist zu Ende und ich stolpere benommen zu meinem Analysiskurs. Ich bin fast da, als ich es höre. So leise, dass es fast so klingt, als würde sich jemand räuspern. »Schlampe.«
Ich erstarre.
Nein. Geh weiter. Ich drücke meine Bücher fester an mich und gehe weiter den Flur entlang.
Etwas lauter diesmal. »Schlampe.«
Dann drehe ich mich doch um, und das Schlimmste ist, dass ich nicht mal weiß, wer es sein wird. So viele Leute hassen mich gerade. Heute ist es Mike. Er grinst höhnisch, aber ich blicke an ihm vorbei zu Dave. Dave kratzt sich am Kopf und schaut weg.
»Wie konntest du nur?«, frage ich ihn.
»Wie konntest du ?«, fragt Mike. »Ich hab Dave schon die ganze Zeit gesagt, dass du nichts taugst.«
»Ach ja?« Ich habe die Augen immer noch fest auf Dave gerichtet. »Immerhin bin ich keine Lügnerin.«
»Du bist die Lügnerin«, sagt Dave kaum hörbar.
»Was war das? Was hast du gesagt?«
»Du hast mich schon verstanden.« Dave spricht jetzt lauter, aber er windet sich und blinzelt seinen Freund an. Eine Woge des Abscheus überrollt mich. Mikes Schoßhündchen. Natürlich. Warum ist mir das vorher nicht aufgefallen? Ich balle die Hände zu Fäusten. Noch ein Wort von ihm, nur noch ein einziges Wort …
»Schlampe«, sagt er.
Dave kracht zu Boden.
Aber es war nicht meine Faust.
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Kapitel zweiundvierzig
A aahhh!« St. Clair reibt sich die Hand.
Mike taumelt auf St. Clair zu und ich springe dazwischen. »Nein!«
Dave liegt stöhnend auf dem Boden. Mike schiebt mich zur Seite, doch St. Clair schubst ihn kräftig an die Wand und fährt ihn wütend an: »Fass sie nicht an!«
Mike ist schockiert, fängt sich aber schnell wieder. »Du bist ja krank!« Und er stürmt genau in dem Moment auf St. Clair los, als Professeur Hansen dazwischengeht und sich auf Schläge gefasst macht.
»Hey, hey, HEY ! Was ist denn hier draußen LOS ?« Unser Geschichtslehrer funkelt seinen Lieblingsschüler böse an. »Monsieur St. Clair. Zur Direktorin. SOFORT .« Dave und Mike beteuern unisono ihre Unschuld, aber Professeur Hansen schneidet ihnen das Wort ab. »Seid still oder ihr folgt Étienne.« Sie halten den Mund. St. Clair weicht meinem Blick aus und stampft wütend in Richtung Direktorin davon.
»Alles okay mit dir?«, fragt mich Professeur Hansen. »Hat dir einer von diesen Trotteln etwas getan?«
Ich stehe noch unter Schock. »St. Clair hat mich verteidigt. Es … Es war nicht seine Schuld.«
»Wir verteidigen nicht mit Fäusten an dieser Schule. Das weißt du.« Er wirft mir noch einen gequälten Blick zu und geht dann nach unten, um St. Clair im Sprechzimmer der Direktorin zu treffen.
Was ist da eigentlich gerade passiert? Ich meine, ich weiß natürlich, was vorgefallen ist, aber was hat es zu bedeuten? Heißt das, dass St. Clair mich nicht hasst? Ein kleiner Hoffnungsschimmer macht sich breit, auch wenn St. Clair möglicherweise einfach Dave und Mike noch mehr hasst als mich. Bis zum Unterrichtsende sehe ich ihn nicht mehr, aber als ich zum Nachsitzen erscheine, sitzt er bereits in der letzten Reihe.
Er sieht geschafft aus. Wahrscheinlich ist er schon den ganzen Nachmittag hier. Der professeur , der heute Aufsicht hat, ist noch nicht da, also sind wir allein. Ich setze mich auf meinen üblichen Platz – es ist schon traurig, dass ich so etwas habe – am anderen Ende des Zimmers. St. Clair betrachtet seine Hände.
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