Herzklopfen auf Französisch - Perkins, S: Herzklopfen auf Französisch
auch wieder nicht, weil er beim ersten Mal durchgefallen ist. Dave hat zotteliges Haar und Schmolllippen und die sonderbare Mischung aus gebräunter Haut und Sommersprossen. Mehrere Mädchen sind in ihn verknallt. Er ist außerdem in meinem Geschichtekurs. Den mache ich auch mit der Stufe unter mir, weil meine eigene Stufe Politik hat und das hatte ich schon. Also sitze ich zwischen Dave und Josh.
Josh ist im Unterricht ruhig und zurückhaltend, aber ansonsten hat er einen ähnlichen Sinn für Humor wie St. Clair. Man kann leicht nachvollziehen, warum sie so gute Freunde sind. Meredith meint, sie vergöttern sich gegenseitig – Josh wegen St. Clairs natürlichem Charisma und St. Clair, weil Josh so ein erstaunlicher Künstler ist. Seine Arbeiten sind unglaublich – dicke, kühne Federstriche und klitzekleine, feine Details – und seine Finger sind stets voller Tintenflecken.
Aber der bemerkenswerteste Aspekt meiner neuen Ausbildung ist der, der außerhalb des Unterrichts stattfindet. Von dem in den Hochglanzbroschüren nicht die Rede ist. Und damit meine ich Folgendes: Auf ein Internat zu gehen ist etwa so, als würde man in einer Highschool wohnen. Ich kann nicht entkommen. Auch wenn ich mich in meinem Zimmer aufhalte, werden meine Ohren mit lauter Popmusik, Kabbeleien um Waschmaschinen und im Treppenhaus tanzenden Betrunkenen beschallt. Meredith glaubt, dass sich das legt, wenn der Reiz des Neuen für die Jüngeren verflogen ist, aber ich rechne eigentlich nicht damit.
Wie auch immer.
Es ist Freitagabend und Résidence Lambert ist wie leer gefegt. Meine Mitschüler sind in die Kneipen abgedampft und ich habe zum allerersten Mal meine Ruhe. Wenn ich die Augen zumache, kann ich mir fast vorstellen, ich wäre zu Hause. Abgesehen von der Oper. Die Operndiva singt an den meisten Abenden in dem Restaurant auf der anderen Straßenseite. Für jemanden mit einer solch gewaltigen Stimme ist sie überraschend klein. Sie gehört außerdem zu den Menschen, die sich die Augenbrauen rasieren und dann mit einem Stift wieder aufmalen. Sie sieht aus wie eine Statistin aus der Rocky Horror Picture Show .
Bridge ruft an, als ich gerade bequem auf meinem Minibett liege und Rushmore gucke. Das ist der Film, der Wes Anderson bekannt gemacht hat. Wes ist fantastisch, ein wahrer Autorenfilmer, der jeden Aspekt der Produktion mitbestimmt und dessen typischer Stil in jedem Einzelbild erkennbar ist – er ist wehmütig und verschroben, trocken und düster. Rushmore gehört zu meinen Lieblingsfilmen. Es geht darin um einen Typen namens Max Fischer, der unter anderem besessen ist von der Privatschule, die ihn rausgeschmissen hat. Wie würde mein Leben aussehen, wenn ich für die SOAP eine solche Leidenschaft hätte wie Max für die Rushmore Academy? Zunächst einmal würde ich vermutlich nicht mit weißer Pickelcreme bedeckt allein in meinem Zimmer hocken.
»Annnnn-aaaaaaah«, sagt Bridge. »Ich haaaaasse siiiiie.«
Sie ist keine Stimmführerin im Orchester geworden. Was echt doof ist, weil jeder weiß, dass sie die talentierteste Trommlerin der Schule ist. Der Schlagzeuglehrer hat Kevin Quiggley den Posten gegeben, weil er dachte, die Jungs der Drumline würden Bridge nicht als Oberhaupt akzeptieren – weil sie ein Mädchen ist.
Ja, genau, jetzt werden sie es bestimmt nicht. Blödmann.
Deshalb hasst Bridge jetzt das Orchester und den Lehrer und Kevin, der ein Hohlkopf mit einem übertrieben großen Ego ist. »Warte nur ab«, sage ich. »Bald wirst du die nächste Meg White oder Sheila E. sein, und Kevin Quiggley wird damit prahlen, dass er dich früher schon gekannt hat. Und wenn er dann nach einer großen Show angedackelt kommt und mit einer Sonderbehandlung und einem Backstageausweis rechnet, kannst du an ihm vorbeistolzieren, ohne ihn eines Blickes zu würdigen.«
Ich höre ihrer Stimme das müde Lächeln an. »Warum bist du noch mal weggezogen, Banana?«
»Weil mein Vater ein Mistkerl ist.«
»Ja, und zwar durch und durch.«
Wir quatschen bis um drei Uhr morgens, deshalb wache ich am nächsten Tag erst am frühen Nachmittag auf. Schnell rapple ich mich auf und ziehe mich an, bevor die Mensa schließt. Samstags und sonntags hat sie nur zum Brunch geöffnet. Es ist nicht viel los, als ich ankomme, aber Rashmi, Josh und St. Clair sitzen an ihrem üblichen Tisch.
Jetzt kommt die Stunde der Wahrheit. Die ganze Woche haben sie mich geneckt, weil ich alles vermieden habe, was man bestellen muss. Um Ausreden war ich nicht
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