Herzklopfen auf Französisch - Perkins, S: Herzklopfen auf Französisch
kommst du eigentlich her ?« Aber ich weiß, was sie in Wirklichkeit meint. Sie will wissen, warum man jemanden wie mich ausgewählt hat, um den freien Platz einzunehmen.
»Atlanta.«
» Oh «, sagt sie. Als würde das erklären, was für ein provinzieller Bauerntrampel ich bin. Blöde Kuh. Atlanta gehört zu den größten Städten Amerikas.
»Du und St. Clair scheint euch ja beim Frühstück ziemlich gut verstanden zu haben.«
»Ähm.« Fühlt sie sich von mir bedroht?
»Ich würde mir an deiner Stelle keine Hoffnungen machen«, fährt sie fort. »Nicht mal du bist hübsch genug, um ihn seiner Freundin auszuspannen. Sie sind schon ewig zusammen.«
War das ein Kompliment? Oder nicht? Dieser Betonungsfimmel geht mir echt auf die Nerven. (Auf die Nerven .)
Amanda gibt ein falsches, gelangweiltes Gähnen von sich. »Interessante Haare.«
Ich fasse mir unsicher auf den Kopf. »Danke. Meine Freundin hat sie mir blondiert.« Bridge hat mir den breiten Streifen erst letzte Woche ins Haar gemacht. Normalerweise stecke ich mir die Strähne hinters rechte Ohr, aber heute Abend steckt sie hinten im Pferdeschwanz.
»Gefällt dir das?«, fragt sie. Allgemeine Zickensprache für: Ich finde es schrecklich .
Ich nehme die Hand herunter. »Ja. Deshalb hab ich es gemacht.«
»Weißt du, ich würde den Streifen nicht so nach hinten tragen. Damit siehst du ein bisschen aus wie ein Stinktier .«
»Immerhin riecht sie nicht wie eins.« Hinter mir taucht Rashmi auf. Sie war bei Meredith, ich habe ihre Stimmen gedämpft durch die Wand gehört. »Tolles Parfüm, Amanda. Leg das nächste Mal etwas mehr auf. Ich weiß nicht, ob man dich bis London riechen kann.«
Amanda fletscht die Zähne. »Nette Brille .«
»Oh, der war gut«, gibt Rashmi mit unbewegtem Gesicht zurück, aber ich bemerke, dass sie sie trotzdem zurechtrückt. Ihre Fingernägel sind stahlblau, die gleiche Farbe wie die ihrer Brille. Sie wendet sich an mich. »Ich wohne zwei Stockwerke höher, Zimmer 60 1 , falls du was brauchst. Wir sehen uns beim Frühstück.«
Dann hat sie wohl doch nichts gegen mich! Oder vielleicht findet sie einfach Amanda noch furchtbarer. So oder so, ich bin ihr dankbar und rufe ihr ein »Tschüs« nach, als sie davongeht. Sie winkt noch mal und verschwindet im Treppenhaus, aus dem Nate gerade herauskommt. Er spricht uns auf seine leise, freundliche Art an.
»Na, gehen wir bald schlafen, meine Damen?«
Amanda lächelt allerliebst. »Natürlich.«
»Gut. Hattest du einen schönen ersten Tag, Anna?«
Ich finde es so komisch, dass alle hier schon meinen Namen kennen. »Ja. Danke, Nate.«
Er nickt, als hätte ich etwas gesagt, worüber sich nachzudenken lohnt. Dann wünscht er uns eine gute Nacht und geht zu den Schülern weiter, die am anderen Ende des Flurs rumhängen.
»Ich finde es furchtbar , wenn er das macht«, sagt Amanda.
»Wenn er was macht?«
»Uns kontrollieren. So ein Arschloch .« Die Toilettentür geht auf und ein ziemlich kleines rothaariges Mädchen windet sich um Amanda herum, die dasteht, als wäre sie die Königin der Schwelle. Das Mädchen muss aus der Stufe unter uns sein. Ich habe sie beim Tischkreis in Englisch nicht gesehen. »Mein Gott, bist du reingefallen?«, fragt Amanda. Das blasse Gesicht des Mädchens läuft rot an.
»Sie war doch bloß auf der Toilette«, sage ich.
Amanda stolziert über den gefliesten Boden und ihre lila Flauschpantoffeln klatschen dabei gegen ihre Fersen. Sie knallt die Tür zu. »Sehe ich aus, als würde mich das interessieren? Stinktiermädchen ?«
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Kapitel sechs
E ine Woche in der neuen Schule und ich stecke mittendrin in meinem exquisiten Bildungsaufenthalt im Ausland.
In Professeur Coles Lehrplan kommen die üblichen Shakespeare und Steinbeck nicht vor. Stattdessen konzentrieren wir uns auf übersetzte Werke. Jeden Morgen moderiert sie die Diskussion über Bittersüße Schokolade , als wären wir eine Buchgemeinschaft und kein langweiliger Pflichtkurs.
Englisch finde ich deshalb super.
Meine Französischlehrerin dagegen ist offensichtlich Analphabetin. Wie sonst soll man sich die Tatsache erklären, dass Professeur Gillet trotz des Titels unseres Lehrbuchs – Französisch Stufe I – darauf besteht, dass wir nur Französisch sprechen? Sie nimmt mich jeden Tag ein Dutzend Mal dran und ich weiß nie die Antwort.
Dave nennt sie Madame Guillotine. Das finde ich ebenfalls super.
Er hat den Kurs schon mal gemacht, was ganz hilfreich ist, aber so hilfreich anscheinend
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