Herzklopfen auf Französisch - Perkins, S: Herzklopfen auf Französisch
den Sinn des Lebens.« Bridge: »Nee, wahrscheinlich bringt man euch Atemtechniken bei und wie man Essen in Energie umwandelt.«) Heute haben wir zumindest nur Stillarbeit und Hausaufgaben gemacht.
Schade eigentlich.
Ich habe die Stunde mit dem ersten Roman verbracht, den wir für Englisch lesen müssen. Und, wow! Falls mir bisher nicht klar gewesen ist, dass ich in Frankreich bin, ist das jetzt der Fall. In Bittersüße Schokolade kommt nämlich Sex vor. Und zwar JEDE MENGE Sex. Die Sehnsucht einer Frau setzt buchstäblich ein Haus in Brand und dann wirft ein Soldat sie nackt auf ein Pferd, und sie tun es, während sie davongaloppieren. Niemals hätte ich das zu Hause im Bibelgürtel lesen dürfen. Den meisten Sex, den wir jemals zu lesen bekamen, gab es in Der scharlachrote Buchstabe .
Ich muss Bridge von diesem Buch erzählen.
Es ist fast Mitternacht, als ich mit der E-Mail fertig bin, aber im Flur ist es noch laut. Der Abschlussjahrgang und der Jahrgang davor haben ziemlich viele Freiheiten, weil wir angeblich reif genug sind, damit umzugehen. Von mir selbst glaube ich das auch, aber bei meinen Mitschülern habe ich ernsthafte Zweifel. Der Typ auf der anderen Seite des Flurs hat bereits eine Pyramide aus Bierdosen vor seiner Tür aufgebaut. In Paris darf man nämlich ab sechzehn Wein und Bier trinken, mit achtzehn darf man sich auch Hochprozentiges kaufen.
Was nicht bedeutet, dass ich Letzteres nicht auch schon hier gesehen hätte.
Ich wüsste zu gern, ob meine Mutter gewusst hat, dass ich mich hier ganz legal betrinken darf, als sie meinem Aufenthalt hier zugestimmt hat. Als es in den Seminaren über Lebenskunde erwähnt wurde, hat sie ein ziemlich überraschtes Gesicht gemacht, und am selben Abend bekam ich beim Essen einen langen Vortrag über Verantwortung zu hören. Aber ich habe nicht vor, mich zu betrinken. Ich fand immer schon, dass Bier wie Urin riecht.
Es gibt ein paar Teilzeitbeschäftigte, die unten am Empfang arbeiten, aber nur einen Wohnheimleiter, der auch hier wohnt. Er heißt Nate und hat seine Wohnung im Erdgeschoss. Er studiert in einem höheren Fachsemester an irgendeiner Uni in der Nähe. SOAP muss ihm eine Menge Geld dafür zahlen, dass er hier bei uns wohnt.
Nate ist über zwanzig, er ist klein und blass und hat einen kahl geschorenen Kopf. Was sich merkwürdig anhört, aber tatsächlich ganz attraktiv ist. Er spricht immer sehr leise und scheint die Art Typ zu sein, der gut zuhören kann. Trotzdem drückt sein Tonfall Autorität aus und dass man sich lieber nicht mit ihm anlegen sollte. Meine Eltern fanden ihn klasse. Er hat außerdem eine Schale mit Kondomen neben der Tür stehen.
Ob meine Eltern die wohl gesehen haben?
Die unterste und zweitunterste Stufe sind in einem anderen Wohnheim untergebracht. Sie sind immer zu zweit in einem Zimmer, die Flure sind nach Geschlecht getrennt und sie stehen viel mehr unter Aufsicht als wir. Sie müssen zum Beispiel abends bis zu einer bestimmten Uhrzeit im Wohnheim sein. Wir nicht. Wir müssen uns nur in ein Buch eintragen, wann immer wir nachts kommen und gehen, damit Nate weiß, dass wir noch am Leben sind. Allerdings bin ich sicher, dass keiner der Schüler diese Vorsichtsmaßnahme zu schätzen weiß.
Ich schleppe mich in den Flur, um aufs Klo zu gehen. In der Schlange – man muss immer anstehen, sogar um Mitternacht – lande ich hinter Amanda, dem Mädchen, das sich beim Frühstück an St. Clair rangemacht hat. Sie grinst affektiert, als sie meine verblichene Jeans und mein altes Orange-Crush-T-Shirt sieht.
Ich wusste gar nicht, dass sie auf meinem Gang wohnt. Na super.
Wir sprechen nicht miteinander. Ich fahre mit den Fingern über das Blumenmuster der Tapete. Résidence Lambert ist eine merkwürdige Mischung aus Pariser Vornehmheit und schlichter Zweckmäßigkeit für Teenager. Kristalllampen tauchen die Flure in ein sanftes goldenes Licht, aber in unseren Schlafzimmern summen Leuchtstoffröhren. Die Fußböden sind mit glänzendem Parkett ausgekleidet, aber mit schäbigen Industrieteppichen belegt. Die Eingangshalle ist mit frischen Blumen und Tiffany-Lampen verziert, aber es stehen abgewetzte Zweiersofas darin, und in die Tische sind Initialen und Schimpfwörter eingeritzt.
»Du bist also der neue Brandon «, sagt Amanda.
»Wie bitte?«
»Brandon. Nummer fünfundzwanzig. Er wurde letztes Jahr rausgeworfen. Einer der Lehrer hat Koks in seinem Rucksack gefunden.« Sie mustert mich flüchtig und zieht die Stirn in Falten. »Wo
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