Herzklopfen auf Französisch - Perkins, S: Herzklopfen auf Französisch
während sie eine Zahnspange getragen hat. Anders ausgedrückt, sie ist wie ich, nur hübscher und klüger und talentierter.
»Ich wusste gar nicht, dass sie Schlagzeug spielt«, sagt Toph. »Taugt sie was?«
»Sie ist die Beste.«
»Sagst du das, weil sie deine Freundin ist, oder weil sie wirklich ganz gut ist?«
»Sie ist die Beste«, wiederhole ich. Aus dem Augenwinkel sehe ich, dass St. Clair zur Uhr auf der Kommode rüberschaut.
»Mein Schlagzeuger hat das Schiff verlassen. Meinst du, sie wäre vielleicht interessiert?«
Toph hat letzten Sommer eine Punkband gegründet, die Penny Dreadfuls. Viele Mitgliederwechsel und Debatten über den lyrischen Gehalt der Songtexte sind daraus hervorgegangen, aber keine richtigen Auftritte. Was echt schade ist. Ich wette, Toph sieht hinter einer Gitarre ziemlich gut aus.
»Ehrlich gesagt«, antworte ich, »ich glaube schon. Ihr bescheuerter Schlagzeuglehrer hat jemand anderen zum Stimmführer gemacht, deshalb muss sie sich noch irgendwie abreagieren.« Ich nenne ihm ihre Nummer. Toph wiederholt sie, während St. Clair auf eine imaginäre Armbanduhr tippt. Es ist erst neun, deshalb verstehe ich nicht ganz, wieso er es so eilig hat. Selbst ich weiß, dass das für Paris früh ist. Er räuspert sich geräuschvoll.
»Hey, tut mir leid. Ich muss jetzt Schluss machen«, sage ich.
»Ist jemand bei dir?«
»Äh, ja. Ein Freund. Er geht heute Abend mit mir aus.«
Pause. »Ein Freund?«
»Ja, ein guter Bekannter.« Ich wende St. Clair den Rücken zu. »Er hat eine Freundin.« Ich kneife die Augen zu. Hätte ich das sagen sollen?
»Also vergisst du uns nicht? Ich meine …« Er spricht langsamer. »Uns hier in Atlanta? Lässt uns nicht wegen irgendeinem Franzmann sitzen und kommst nie zurück?«
Mein Herz pocht. »Bestimmt nicht. Ich bin zu Weihnachten wieder da.«
»Schön. Okay, Annabel Lee. Ich sollte sowieso lieber weiterarbeiten. Hercules ist wahrscheinlich schon sauer, weil ich nicht an der Tür stehe. Ciao.«
»Eigentlich heißt es au revoir «, erwidere ich.
»Von mir aus.« Er lacht und wir legen auf.
St. Clair steht vom Bett auf. »Ist dein Freund eifersüchtig?«
»Wie ich schon sagte, er ist nicht mein Freund.«
»Aber du magst ihn.«
Ich laufe rot an. »Ähm … ja.«
Sein Gesicht ist ausdruckslos. Vielleicht verärgert. Er nickt in Richtung Tür. »Willst du immer noch ausgehen?«
»Was?« Ich bin verwirrt. »Ja, klar. Lass mich nur schnell was anderes anziehen.« Ich schicke ihn raus und fünf Minuten später gehen wir in Richtung Norden. Ich bin in mein Lieblingsshirt geschlüpft, ein süßes Fundstück aus dem Secondhandladen, das an den richtigen Stellen eng anliegt. Dazu Jeans und schwarze Leinenturnschuhe. Ich weiß, Turnschuhe sind nicht sehr französisch – ich sollte spitze Stiefel oder furchtbar hohe Absätze tragen –, aber immerhin sind sie nicht weiß. Es stimmt, was man hier über weiße Turnschuhe sagt. Nur amerikanische Touristen tragen sie, dicke, hässliche Dinger, die zum Rasenmähen oder Häuserstreichen gedacht sind.
Es ist eine wunderschöne Nacht. Die Lichter von Paris sind gelb und grün. Die warme Luft mischt sich mit dem Geplauder der Menschen auf den Straßen und dem Klingen der Weingläser beim Anstoßen in den Restaurants. St. Clairs Stimmung hat sich wieder gebessert, und er schildert mir ausführlich die grausigen Einzelheiten der Rasputin-Biografie, die er am Nachmittag zu Ende gelesen hat.
»Also tun ihm die anderen Russen eine Dosis Zyankali ins Abendessen, tödlich genug, dass fünf Leute daran sterben könnten, okay? Aber es macht ihm gar nichts aus, also gehen sie zu Plan B über und schießen ihm mit einem Revolver in den Rücken. Was ihn immer noch nicht umbringt. Tatsächlich hat Rasputin noch genügend Kraft, um einen von ihnen zu erwürgen, also schießen sie noch dreimal auf ihn. Und er versucht immer noch aufzustehen! Deshalb schlagen sie ihn grün und blau, wickeln ihn in ein Laken und werfen ihn in einen eiskalten Fluss. Aber jetzt kommt’s …«
Seine Augen leuchten. Genauso guckt Mom, wenn sie von Schildkröten erzählt, oder Bridge, wenn sie über ihre Schlaginstrumente spricht.
»Bei der Obduktion stellte sich heraus, dass er an Unterkühlung gestorben war. Vom Fluss! Nicht an Vergiftung oder den Schüssen oder den Schlägen. Mutter Natur. Und nicht nur das – als er gefunden wurde, waren seine Arme aufrecht nach oben gefroren, so als hätte er versucht, aus dem Eis herauszuklettern.«
»Was?
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