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Herzklopfen auf Französisch - Perkins, S: Herzklopfen auf Französisch

Herzklopfen auf Französisch - Perkins, S: Herzklopfen auf Französisch

Titel: Herzklopfen auf Französisch - Perkins, S: Herzklopfen auf Französisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Perkins
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Es ist geschlossen«, fügt er hinzu.
    »Oh. Ja, natürlich.« Ich bemühe mich, mir meine Enttäuschung nicht anmerken zu lassen.
    St. Clair findet das witzig. »Es ist erst die erste Unterrichtswoche. Wir haben noch alle Zeit der Welt, um in das Museum zu gehen.«
    Wir. Aus irgendeinem Grund macht mich das nervös. St. Clair und ich. Ich und St. Clair.
    Bald gelangen wir in eine Gegend, die noch touristischer ist als unsere eigene. Es wimmelt von gut besuchten Restaurants, Geschäften und Hotels. Überall rufen Straßenverkäufer auf Englisch »Couscous! Mögen Sie Couscous?«, und die Gässchen sind so schmal, dass keine Autos durchpassen. Wir spazieren durch das Gedränge mitten auf der Straße. Ich komme mir vor wie auf einem Volksfest. »Wo sind wir?« Ich wünschte, ich müsste nicht so viele Fragen stellen.
    »Zwischen dem Boulevard St. Michel und der Rue St. Jacques.«
    Ich sehe ihn vorwurfsvoll an.
    » Rue bedeutet ›Straße‹. Und wir sind immer noch im Quartier Latin.«
    »Immer noch? Aber wir gehen doch schon …«
    »Zehn Minuten? Eine Viertelstunde?«, neckt er mich.
    Hmpf. Londoner oder Pariser, oder was immer er ist, sind offensichtlich nicht an den Luxus gewöhnt, ein Auto zu besitzen. Ich vermisse meines, auch wenn es nicht gut anspringt. Und keine Klimaanlage hat. Und einen kaputten Lautsprecher. Ich sage St. Clair das und er grinst. »Ein Auto würde dir hier gar nichts nützen. Hier darf man erst ab achtzehn fahren.«
    »Du könntest uns fahren«, wende ich ein.
    »Nein, könnte ich nicht.«
    »Du hast gesagt, du hättest Geburtstag gehabt! Ich wusste doch, dass das gelogen ist, niemand …«
    »Das habe ich nicht gemeint.« St. Clair lacht. »Ich kann nicht Auto fahren.«
    »Im Ernst?« Ich kann mir das boshafte Grinsen, das sich auf meinem Gesicht breitmacht, nicht verkneifen. »Soll das heißen, es gibt tatsächlich etwas, was ich kann und du nicht?«
    Er grinst zurück. »Schockierend, nicht wahr? Aber ich hatte nie einen Grund dazu. Die öffentlichen Verkehrsmittel hier, in San Francisco, in London sind für mich absolut ausreichend.«
    »Absolut ausreichend.«
    »Lass das.« Er lacht wieder. »Hey, weißt du, warum das Viertel hier Quartier Latin heißt?«
    Ich ziehe eine Augenbraue hoch.
    »Vor ein paar Jahrhunderten haben die Studenten an der Sorbonne – die ist da drüben.« Er deutet mit der Hand hin. »Sie gehört zu den ältesten Universitäten der Welt. Jedenfalls wurden die Studenten auf Lateinisch unterrichtet und sprachen untereinander auch Latein. So blieb der Name haften.«
    Ich zögere. »Das war’s schon? Die ganze Geschichte?«
    »Ja. Okay, du hast recht. Das war Hühnerkacke.«
    Ich weiche einem weiteren aufdringlichen Couscousverkäufer aus. »Hühnerkacke?«
    »Unsinn. Mist. Müll.«
    Hühnerkacke. Mein Gott, das ist ja niedlich.
    Wir biegen um eine Ecke und … da ist sie: die Seine. Die Lichter der Stadt tanzen im gekräuselten Wasser auf und ab. Ich atme tief ein. Es ist herrlich. Pärchen schlendern am Ufer entlang und Buchhändler haben schmutzige Pappkartons mit Taschenbüchern und alten Zeitschriften zum Schmökern aufgestellt. Ein rotbärtiger Mann klimpert auf einer Gitarre und singt ein trauriges Lied. Wir hören ihm einen Moment lang zu und St. Clair wirft dem Mann ein paar Euro in den Gitarrenkoffer.
    Und dann, als wir uns wieder dem Fluss zuwenden, sehe ich sie.
    Notre-Dame.
    Natürlich erkenne ich sie nur von Fotos wieder. Aber wenn Saint-Étienne eine Kathedrale ist, dann ist sie nichts, NICHTS im Vergleich zu Notre-Dame. Das Bauwerk ähnelt einem riesigen Schiff, das flussabwärts dampft. Massiv. Monströs. Majestätisch. Es ist auf eine Weise beleuchtet, die mich absurderweise an Disney World erinnert. Allerdings ist es so viel zauberhafter als alles, was sich Walt Disney hätte ausdenken können. Berge von grünen Kletterpflanzen ranken an den Mauern herunter und bis ins Wasser und machen das Märchen perfekt.
    Ich atme langsam aus. »Sie ist wunderschön.«
    St. Clair schaut mich aufmerksam an.
    »Ich habe noch nie so etwas gesehen.« Ich weiß nicht, was ich noch sagen soll.
    Wir müssen eine Brücke überqueren, um zu ihr zu gelangen. Mir ist nicht klar gewesen, dass sie auf einer Insel steht. St. Clair erklärt mir, dass wir zur Île de la Cité gehen, der Insel der Stadt, und dass das der älteste Bezirk von ganz Paris ist. Die Seine funkelt tief und grün unter uns und ein langes, mit Lichtern behängtes Boot gleitet unter der Brücke hindurch.

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