kommt vor allem von diesem Lächeln.
Wir folgen einem blauen Lichtschlauch den Gang im Kinosaal hinunter. Ich hätte gern gewusst, ob sie hier in allen Kinos blau sind. Die amerikanischen Kinos sind stattdessen in goldenes Licht getaucht. Mein Herz schlägt höher. Alles andere ist gleich.
Die gleichen Sitze. Die gleiche Leinwand. Die gleichen Wände.
Zum allerersten Mal fühle ich mich in Paris zu Hause.
Ich lächle meine Freunde an, aber Mer, Rashmi und Josh sind beschäftigt und diskutieren gerade über etwas, das beim Abendessen passiert ist. St. Clair sieht mich und lächelt zurück. »Gut?«
Ich nicke. Er macht einen zufriedenen Eindruck und schlüpft nach mir in die Reihe. Ich sitze immer vier Reihen über der Mitte und wir haben heute Abend perfekte Plätze. Die Sessel sind rot wie klassische Kinositze. Der Film beginnt und der Titelbildschirm leuchtet auf. »Äh, kommt da erst so ein langer Vorspann mit den Credits?«, fragt Rashmi. Wie alle alten Filme hat auch dieser einen Vorspann.
Ich lese ihn voller Freude. Ich liebe Vorspänne. Ich liebe alles, was mit Filmen zu tun hat.
Im Kino ist es dunkel bis auf die Schwarz-, Weiß- und Grautöne, die über die Leinwand flimmern. Clark Gable stellt sich schlafend und legt die Hand auf einen freien Platz im Bus. Claudette Colbert ärgert sich einen Moment lang darüber, legt die Hand jedoch dann behutsam zur Seite und setzt sich. St. Clair lacht.
Es ist komisch, aber ich stelle fest, dass ich mich immer wieder ablenken lasse. Durch das Weiß seiner Zähne im Dunkeln. Durch eine gewellte Haarsträhne, die seitlich absteht. Durch den sanften Duft seines Waschmittels. Er stupst mich an, um mir stumm die Armlehne anzubieten, aber ich lehne ab und er benutzt sie. Sein Arm ist ganz nah an meinem, nur etwas höher. Ich sehe mir flüchtig seine Hände an. Meine sind winzig im Vergleich zu seinen großen, knöcheligen Jungenhänden.
Und plötzlich möchte ich ihn berühren.
Kein Schieben oder Schubsen oder auch nur ein freundschaftliches Umarmen. Ich möchte die Falten in seiner Haut spüren, seine Sommersprossen mit unsichtbaren Linien verbinden, mit den Fingern über die Innenseite seines Handgelenks streichen. Er bewegt sich. Ich habe das überaus seltsame Gefühl, dass er durch mich genauso abgelenkt ist wie ich durch ihn. Ich kann mich nicht konzentrieren. Die Charaktere auf der Leinwand zanken sich, aber ich habe beim besten Willen keine Ahnung, worüber. Wie lange habe ich schon nicht aufgepasst?
St. Clair hustet und setzt sich noch mal anders hin. Sein Bein streift meines. Es bleibt dort. Ich bin wie gelähmt. Ich sollte meines wegziehen, es fühlt sich zu unnatürlich an. Wie kann er nicht merken, dass sein Bein meines berührt? Aus den Augenwinkeln sehe ich das Profil seines Kinns, seiner Nase und – o mein Gott – seiner geschwungenen Lippen.
Da. Er hat zu mir rübergesehen. Ich weiß es.
Ich starre angestrengt auf die Leinwand und gebe mein Bestes, um zu beweisen, dass mich dieser Film ernsthaft interessiert. St. Clair versteift sich, nimmt sein Bein aber nicht weg. Hält er den Atem an? Ich glaube ja. Ich halte meinen an. Ich atme aus und zucke zusammen – es ist so laut und unnatürlich.
Da, wieder. Noch ein kurzer Blick. Diesmal drehe ich mich unwillkürlich um, gerade als er sich wegdreht. Es ist ein Tanz und jetzt liegt eine Stimmung in der Luft, als sollte einer von uns etwas sagen. Konzentrier dich, Anna, konzentrier dich. »Gefällt’s dir?«, flüstere ich.
Er zögert. »Der Film?«
Ich bin dankbar, dass man im Dunkeln nicht sehen kann, wie ich rot anlaufe.
»Gefällt mir sehr«, antwortet er.
Ich riskiere einen flüchtigen Blick und St. Clair sieht mich an. Durchdringend. So hat er mich noch nie angesehen. Ich wende mich als Erstes ab und spüre, wie er sich kurz darauf auch wegdreht.
Ich weiß, dass er lächelt, und mein Herzschlag rast.
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Kapitel zwölf
An: Anna Oliphant ‹
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Von: James Ashley ‹
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Betreff: Zarter Wink
Hallo, Schatz. Wir haben uns eine Weile nicht gesprochen. Hast du deine Mailbox abgehört? Ich habe ein paar Mal angerufen, aber wahrscheinlich bist du damit beschäftigt, Pariii zu erkunden. Nun, das hier soll nur ein zarter Wink sein, deinen guten alten Vater anzurufen und ihm zu berichten, wie es in der Schule läuft. Kannst du schon Französisch? Hast du foie gras gekostet? Welche interessanten Museen hast du besucht? Apropos interessant, ich