Herzklopfen für Anfänger
Riesenschrecken ein.
Ich packte ihn am Arm. »Du bist schwer verletzt, oder? Wo genau tut es weh? Auf welcher Seite? Soll ich nachsehen? O Gott! Diese blöde Karte!«
Er zog eine Grimasse. »Hier. Ja. Meine Rippen. Ich glaube, ich bin auf meinem Handy gelandet.«
»O mein Gott, Russell. Er hat vielleicht ein paar Rippen gebrochen. Möglicherweise hat er innere Blutungen. Versuch, dich nicht zu bewegen, Nick. Bleib ganz still liegen, okay?« Ich blickte Russell an. »Wir können ihn nicht allein lassen. Wir können ihn doch nicht allein lassen, oder?«
Russell runzelte die Stirn. »Und was sollen wir tun?«
»Ich weiß nicht.«
»Mir geht es gut«, sagte Nick. »Wirklich. Nur …«
Ich wandte mich wieder zu ihm. »Was nur?«
»Wenn du bitte den Griff um meinen Arm lockern könntest?«
Ich hatte nicht einmal gemerkt, wie fest ich seinen Arm umklammert hielt. Sofort ließ ich ihn los. Er war kreidebleich.
»Wir können ihn nicht allein lassen«, wiederholte ich.
»Nein«, sagte Russell. »Aber wir müssen etwas tun. Was hältst du davon, wenn einer bei Nick bleibt und der andere losgeht? Ich vielleicht, oder?«
Die Aussicht schien ihn nicht zu begeistern, aber es blieb uns nichts anderes übrig. Es sei denn, ich würde gehen. Er sah ängstlich aus, und beinahe tat er mir in diesem Moment leid. Er kam mir plötzlich sehr jung vor.
»Oder ich«, schlug ich vor. »Ich könnte gehen.«
»Auf keinen Fall«, erklärte Nick mit fester Stimme. Vielleicht würde er doch nicht sterben. »Du kannst nicht allein losgehen, Sally«, fügte er hinzu. Unter anderen Umständen hätte ich mit feministischem Zorn reagiert. Aber jetzt nicht. Oh nein. Jetzt nicht.
Russell warf mir einen Blick zu. »Nein, nein, Nick hat recht«, stimmte er zu. »Es ist besser, wenn ich gehe. Du bleibst bei Nick und passt auf ihn auf.«
»Du musst nur hoch genug hinauf«, sagte Nick. »Dann bekommst du bestimmt ein Netz.«
Ich hatte Angst um ihn. Angst um uns alle. Es war dunkel. Wenn nun Russell auch einen Unfall hatte? Ich hob die Hände.
»Aber wie sollen sie ihn finden? Er weiß doch gar nicht, wo er ist.«
Nick schüttelte den Kopf. »Das spielt keine Rolle. Sie schicken eine Suchmannschaft. Sie finden uns schon.« Er blickte in die Dunkelheit. »Irgendwann.«
Mit vereinten Kräften schleppten wir Nick ein wenig weiter den Weg entlang, wo eine Lücke im Gebüsch über einen steilen, mit Disteln bewachsenen Pfad zu einer Düne führte. Mit dem letzten Rest Wasser gab ich ihm drei Paracetamol, und dann machten wir es uns auf dem Boden bequem. Russells weiße Baseballkappe hatten wir an einen Ast gehängt. Nun konnten wir nur noch auf seine Rückkehr warten.
Wir sahen ihm nach, als er mit der Taschenlampe und dem Rucksack aufbrach. Und dann waren wir allein. Ganz allein.
8
Zu zweit allein.
Was für ein Tag. Vor sechs oder sieben Stunden sind wir aus dem Zentrum aufgebrochen, aber mir kommt es viel länger vor. Ich fühle mich müde und zerschlagen und habe Sand in den Stiefeln. Und doch stehe ich oben auf einer Sanddüne, und schaue aufs Meer und den Vollmond, der rund wie ein Ball am Nachthimmel hängt. Und was fühle ich? Ich fühle mich lebendig. So lebendig wie schon lange nicht mehr. Ich weiß zwar nicht genau warum, aber es ist so.
Szene 2. Irgendwo in South Wales. Bühne von rechts.
»Ahoi!«
Nick war ein wenig von der Bühne heruntergehumpelt, um »zur Toilette zu gehen«, wie er es formulierte. Ich machte mir kurz Gedanken, ob es mir nicht peinlich sein könnte, ihn pinkeln zu hören, aber es blieb absolut still. Es war fast so, als befände ich mich in einer anderen Zeit. Der einzige Beweis für das zwanzigste Jahrhundert war ein Licht auf der anderen Seite der Bucht, hoch auf einem Hügel. Es war Ebbe, und die Bucht bestand aus glattem Sand, der von bloßen Füßen erkundet werden wollte.
»Ich bin hier«, rief ich und drehte mich um. Der Umriss seines Körpers hob sich deutlich gegen den schwarzen Nachthimmel ab. Ich lief zu ihm, um ihm zu helfen.
»Du bist schlecht für meine Gesundheit«, bemerkte er, als ich mich bei ihm einhängte, um ihm zu helfen. »Jedes Mal, wenn wir uns treffen, passiert eine Katastrophe.«
»Na, das ist ja charmant. Ich bin diejenige, die sich Sorgen machen sollte. Du bist das wandelnde Unheil.«
»Du hast uns in die Irre geführt.«
»Russell hat uns in die Irre geführt. Und du hattest die schlaue Idee, auf einen Baum zu klettern, soweit ich mich erinnere. Also bin ich das unschuldige
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