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Herzraub

Herzraub

Titel: Herzraub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Buttler
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bekommen, werden Sie wohl auch nicht von sich weisen. Machen Sie sich im Übrigen mit dem Gedanken vertraut, dass jede Klinik in Kürze einen Transplantionsbeauftragten einzustellen hat, mit dem Sie und das Pflegepersonal auf der Intensivstation zusammenarbeiten werden.“
    „Der Feind in den eigenen Reihen“, murmelte Frau Doktor Sonntag.
    „Das wär’s dann.“ Der Chefarzt stand auf. Fast hätte er seine Untergebenen hinausgeschoben.
    Als sie raus waren, nahm Doktor Rapp die Whiskyflasche aus dem Schrank. Nach etlichen gut bemessenen Schlucken war er in der Lage, seinen Freund, Staatsanwalt Burkhard Denecke, anzuwählen und ihn zu bitten, nach Erhalt der Kriminalakte das Verfahren wegen fahrlässiger Tötung einzustellen. Mangels Beweisen oder wegen Unerheblichkeit oder was immer es für Gründe waren, die sich ein Jurist dafür ausdenken konnte. The same procedure … Er nahm noch einen Schluck. Seine Laune hatte sich etwas gebessert.
     
    Claus Saalbach fühlte sich etwas entspannter und beruhigter. Nach dem Besuch bei der NZO-Gruppe hatte er den Mut gefunden, Brigitte Lasbeck anzurufen, und sie hatte ihn animiert, genau die juristischen Schritte zu unternehmen, die auch sie unternommen hatte. Immerhin habe sie durch die Kopien der Krankenhausakte doch einiges Interessante erfahren können …
    Jetzt saß er mit ihr – er konnte es kaum glauben – in einer Art verschwörerischer Eintracht bei ›Paolino‹auf dem Bootssteg.
    Es war ein ungewöhnlich warmer, leuchtender Oktobertag. Kaum Wind. Durch das wenig bewegte Wasser der Binnenalster schob sich der weiße Dampfer, um seine Tour bis in die verzweigten, von Villen umsäumten Arme der Oberalster aufzunehmen. Claus Saalbach trug eine lässige braune Lederjacke und sah mit neu erwachtem Eroberercharme Brigitte Lasbeck an, die gerade dem Dampfer nachschaute. Der taubengraue seidene Parka ließ sie jünger erscheinen, ohne ihr das Damenhaft-Elegante zu nehmen. Seltsam, das Bestimmende an ihr gefiel ihm, faszinierte ihn sogar, obwohl die Rollen doch früher, zu seiner Betthäschen-Zeit, gerade umgekehrt verteilt gewesen waren. Er brauchte jetzt Schutz, das war es wohl, und er schämte sich dessen nicht. Die Verbindung zu seinem Sohn war tiefer gewesen, als er sich je eingestanden hatte. Er würde sich Brigitte Lasbeck gern überlassen, am liebsten ganz, vielleicht gab es einen neuen Anfang, sie war verwitwet …
    Brigitte Lasbeck nahm ihren Blick vom Wasser und wandte sich herum. „Nein, es belastet mich nicht, über meinen Sohn zu sprechen“, setzte sie das Gespräch fort. Er bemerkte, dass in ihren Augen ein harter Glanz lag. „Das ist kurz gesagt: Genau wie Ihr Sohn wurde Holger nur 25 Jahre alt, er war wie Ihr Sohn Motorradfahrer und wurde von einem Linksabbieger zu Boden geschleudert. Dann Sankt-Ansgar-Krankenhaus und so weiter.“
    „Was für Parallelen.“ Er entdeckte ein paar Fältchen um ihre graublauen Augen. Vielleicht war sie doch etwas älter als Mitte vierzig. Wenn der Sohn 25 geworden war. Aber sie sah phantastisch aus.
    „Als ich ihn dann vor der Beerdigung wieder sah, so – zerstört, da wurde ich selbst zerstört.“
    „Zumal Sie die Situation allein bewältigen mussten.“
    „Ja. Mein Mann war kurz zuvor gestorben.“ Brigitte Lasbeck lächelte leicht. „Sozusagen natürlich. An einer Lungenentzündung. Und natürlich und unversehrt ist er auch unter die Erde gekommen.“
    Sie nahm einen Schluck Prosecco. Claus Saalbach schwieg.
    „Aber wie Sie sehen, habe ich mich aus dem Tal der Tränen rausgearbeitet. Und dann kam der Moment der Wut.“
    „Heute sind Sie eine Kämpferin.“
    „Ja, das bin ich meinem Sohn schuldig.“ Brigitte Lasbeck strich wie abwesend über ihr schweres Goldarmband. „Zumal ich keine Geldsorgen habe.“ Sie sah ihm in die Augen. „Da muss man doch etwas tun …“
    „Ja.“ Claus Saalbach erwiderte ihren Blick. „Ich bin froh, dass ich etwas unternommen habe.“
    „Ich bin gespannt, was die Krankenakte Ihres Sohnes ergeben wird. Bei Holger hat man ja auch eine Multi-Entnahme gemacht, gegen meinen Willen. Ich hatte nur der Entnahme eines einzigen Organs zugestimmt. Dann der Schock, als ich die Akte las: Die Nieren waren nach Innsbruck gekommen, die Hornhäute nach Frankreich, die Leber ging nach Cambridge.“
    „Und das Herz?“, fragte Claus Saalbach leise.
    „Das Herz ist in Hamburg geblieben.“
    Saalbach bemerkte, wie ihre Lippen plötzlich bebten. Er erschrak, als er die kalte, unbeherrschte Wut

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