Herzschlag der Nacht
hatte.
»Erweisen Sie mir die Ehre, Miss Hathaway?«
»Sehr gern, Sir.« Beatrix hatte ihr schönstes Kleid an. Es war in schimmerndem Anilinviolett mit einem tieferen Ausschnitt, der recht viel helle Haut freigab. Ihr Haar war gekringelt und mit perlmuttverzierten Nadeln aufgesteckt; ansonsten trug sie keinen Schmuck.
Ein Kribbeln im Nacken veranlasste sie, sich rasch im Saal umzusehen, und ihr Blick wurde sofort von einem Paar grauer Augen eingefangen, die sie streng beobachteten. Christopher zeigte nicht den Hauch eines Lächelns.
Chickering führte sie elegant in einen Walzer. Nach einer Drehung schaute Beatrix sich abermals um, doch Christopher starrte sie nicht mehr an.
Überhaupt blickte er kein einziges Mal mehr in ihre Richtung.
Beatrix zwang sich, mit Chickering zu lachen und zu tanzen, während sie im Geiste zu dem Schluss kam, dass kaum etwas mühseliger war, als Fröhlichkeit vorzutäuschen. Immer wieder sah sie unauffällig zu Christopher, der mal von Damen umschwärmt wurde, mal von Herren belagert, die Kriegsgeschichten hören wollten. Anscheinend suchte jeder die Nähe jenes Mannes, der als Englands meistgefeierter Kriegsheld galt. Christopher ertrug es mit Fassung, wirkte ruhig und höflich, und hie und da blitzte sein charmantes Lächeln auf.
»Es fällt einem Herrn schwer, da mitzuhalten«, bemerkte Chickering trocken und nickte zu Christopher. »Ruhm, Reichtum und volles Haupthaar. Und man darf ihn nicht einmal verachten, weil er praktisch allein den Krieg gewonnen hat.«
Beatrix lachte und schenkte Chickering einen übertrieben mitfühlenden Blick. »Sie sind nicht minder eindrucksvoll als Captain Phelan, Mr. Chickering.«
»Nach welchem Maßstab? Ich war nicht beim Militär und kann weder Ruhm noch großes Vermögen vorweisen.«
»Aber volles Haupthaar«, entgegnete Beatrix.
Chickering grinste. »Tanzen Sie noch einmal mit mir, dann dürfen Sie meine üppigen Locken nach Herzenslust betrachten.«
»Danke, aber ich habe bereits zweimal mit Ihnen getanzt, und ein weiteres Mal wäre skandalös.«
»Sie brechen mir das Herz«, jammerte er, und Beatrix lachte.
»Hier sind viele entzückende Damen, die es mit Freuden wieder flicken werden«, sagte sie. »Ich bin gewiss, sie werden beglückt sein, wenn Sie ihnen Ihre Aufmerksamkeit schenken. Ein Gentleman, der so formidabel tanzt, sollte nicht von einer einzigen Dame in Beschlag genommen werden.«
Als Chickering sich ein wenig widerwillig entfernte, hörte Beatrix eine vertraute Stimme hinter sich.
»Beatrix.«
Am liebsten hätte sie sich geduckt, straffte aber stattdessen die Schultern und wandte sich zu ihrer früheren Freundin um. »Guten Abend, Prudence. Wie geht es dir?«
Prudence war in ausladendem elfenbeinfarbenem Stoff gewandet. Der Rock ihres Kleides bestand aus Unmengen heller Spitze, die von rosafarbenen Seidenrosen gerafft wurde. »Mir geht es sehr gut, danke. Was für ein modisches Kleid. Du siehst so erwachsen aus, Bea.«
Beatrix quittierte die Spitze mit einem matten Lächeln. Prudence war gerade mal ein Jahr jünger als sie. »Ich bin dreiundzwanzig, Pru, folglich würde ich meinen, dass ich schon seit einer ganzen Weile erwachsen aussehe.«
»Natürlich.«
Eine unangenehme Pause trat ein.
»Möchtest du etwas Bestimmtes?«, fragte Beatrix unverblümt.
Prudence lächelte und kam näher. »Ja, ich möchte dir danken.«
»Wofür?«
»Dass du mir eine treue Freundin bist. Du könntest es für Christopher und mich mit Leichtigkeit verderben, indem du unser Geheimnis lüftest, aber das tust du nicht. Du hältst dein Versprechen, was ich nicht erwartet hätte.«
»Warum nicht?«
»Nun, ich nahm an, dass du versuchen könntest, Christopher für dich zu gewinnen, so lächerlich ein solches Unterfangen auch wäre.«
Beatrix sah sie fragend an. »Lächerlich?«
»Vielleicht ist es nicht das richtige Wort. Ich meinte unpassend. Ein Mann in Christophers Position braucht eine vornehme Frau, die seine Stellung in der Gesellschaft festigt. Bei seinem Ruhm und Einfluss könnte er eines Tages in die Politik gehen. Und das wäre wohl kaum möglich mit einer Gattin, die den Großteil ihrer Zeit im Wald verbringt – oder in einem Stall.«
Diese zarte Erinnerung bohrte sich einer Pfeilspitze gleich in Beatrix’ Herz.
»Sie passt auch besser in einen Stall als in einen Salon« , hatte Christopher einst über sie gesagt.
Beatrix bemühte sich um ein unbekümmertes Schmunzeln, von dem sie inständig hoffte, dass es ihr nicht
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