Herzschlag der Nacht
zu einer Grimasse geriet. »Ja, ich entsinne mich.«
»Nochmals danke«, sagte Prudence. »Ich war nie glücklicher. Über die Zeit habe ich ihn richtig gern gewonnen. Bald werden wir uns verloben.« Sie sah zu Christopher, der mit einer Gruppe Herren nahe dem Saaleingang stand. »Sieh nur, wie schneidig er ist. Ich mag ihn lieber in seiner Uniform mit all den hübschen Medaillen, aber in Schwarz sieht er auch prächtig aus, nicht wahr?«
Beatrix überlegte, wie sie Prudence loswerden könnte. »Ah, schau nur! Dort ist Marietta Newbury. Hast du ihr schon von der bevorstehenden Verlobung erzählt? Ich bin gewiss, dass sie verzückt sein wird.«
»Oh, das wird sie fürwahr! Kommst du mit mir?«
»Danke, aber ich bin sehr durstig. Ich gehe lieber zu den Erfrischungen.«
»Wir plaudern bald wieder«, versprach Prudence.
»Das wäre schön.«
Dann rauschte Prudence munter von dannen.
Beatrix atmete so heftig aus, dass eine Locke an ihrer Stirn aufflog. Wieder blickte sie dezent zu Christopher, der sich mit den anderen Herren unterhielt. Zwar hielt er sich ruhig – stoisch gar –, doch sein Gesicht glänzte ein wenig vor Schweiß. Für einen Moment wandte er sich von seinen Gefährten ab und fuhr sich mit zitternder Hand über die Stirn.
War er unwohl?
Beatrix beobachtete ihn genauer.
Das Orchester spielte eine lebhafte Komposition, so dass im Saal lauter gesprochen wurde. So viel Lärm und so viele Farben … so viele Menschen. Dazu die Hintergrundgeräusche aus dem Raum mit den Erfrischungen: das Klirren von Glas, das Schaben von Besteck auf Porzellan. Ein Champagnerkorken knallte, und Beatrix bemerkte, dass Christopher zusammenzuckte.
In dem Augenblick begriff sie.
Es war alles zu viel für ihn. Seine Nerven waren zum Zerreißen gespannt, und die Anstrengung, beherrscht zu bleiben, kostete ihn eine ungeheure Kraft.
Ohne zu überlegen, bahnte Beatrix sich rasch einen Weg zu Christopher.
»Hier sind Sie, Captain Phelan!«, rief sie aus.
Alle Herren verstummten ob der Unterbrechung.
»Sich vor mir verstecken zu wollen ist zwecklos«, fuhr Beatrix strahlend fort. »Erinnern Sie sich, dass Sie versprachen, mich durch die Ahnengalerie von Lord Westcliff zu führen?«
Christophers Miene war wie versteinert, seine Pupillen so groß, dass die graue Iris kaum noch zu sehen war. »Richtig, das tat ich«, antwortete er steif.
Die anderen Herren reagierten zustimmend, blieb ihnen doch in Anbetracht von Beatrix’ Direktheit gar nichts anderes übrig. »Wir wollen Sie gewiss nicht abhalten, ein Versprechen einzulösen, Captain«, sagte einer.
Ein anderer pflichtete ihm bei: »Noch dazu ein Versprechen, das Sie einem solch liebreizenden Geschöpf wie Miss Hathaway gaben.«
Christopher nickte kurz. »Sie entschuldigen mich«, bat er die Herren und bot Beatrix seinen Arm an. Sobald sie dem Trubel entkommen waren, begann Christopher, schwer zu atmen. Er schwitzte stark, und seine Armmuskeln unter Beatrix’ Fingern fühlten sich unvorstellbar hart an. »Das ist Ihrer Reputation nicht gut bekommen«, murmelte er.
»Was schert mich meine Reputation?«
Beatrix kannte sich im Herrenhaus aus und führte ihn direkt zu einem kleinen, halboffenen Wintergarten, dessen rundes Dach von zierlichen Säulen gestützt wurde. Von den Fackeln, die überall im Garten brannten, fiel dämmriges Licht herein.
Christopher lehnte sich an eine Hausmauer, schloss die Augen und sog die kühle, süßliche Luft ein. Er wirkte wie ein Mann, der nach längerem Tauchen wieder an die Oberfläche zurückkehrte.
Beatrix stand in der Nähe und betrachtete ihn sorgenvoll. »Drinnen ist zu viel Lärm, nicht wahr?«
»Zu viel von allem«, raunte er und öffnete die Augen wieder. »Vielen Dank.«
»Gern geschehen.«
»Wer war der Mann?«
»Welcher?«
»Der, mit dem Sie tanzten.«
»Mr. Chickering?« Ihr wurde das Herz spürbar leichter, weil er es bemerkt hatte. »Ach, er ist ein ganz reizender Gentleman. Ich bin ihm früher schon in London begegnet.« Sie machte eine kleine Pause. »Haben Sie zufällig auch gesehen, dass ich mit Pru sprach?«
»Nein.«
»Nun, ich tat es, und Sie scheint überzeugt, dass Sie sie heiraten werden.«
Er verzog keine Miene. »Vielleicht werde ich das. Sie verdient es.«
Beatrix wusste nicht, was sie darauf antworten sollte. »Sind Sie ihr zugetan?«
Christopher bedachte sie mit einem Blick, aus dem blanker Hohn sprach. »Wie könnte ich nicht?«
»Falls Sie sarkastisch sein wollen, kann ich auch wieder
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