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Herzschlag der Nacht

Herzschlag der Nacht

Titel: Herzschlag der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Kleypas
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der chaotischen Familienwiedervereinigung im Salon bei und beobachtete, wie sich alle lachend in die Arme fielen. Cam und Merripen klopften sich gegenseitig auf den Rücken und redeten im schnellen Romani aufeinander ein.
    Christopher war Merripen vor dem Krieg bei ein oder zwei Anlässen begegnet, erinnerte sich jedoch nur noch daran, dass er ein großer, grüblerischer Mann weniger Worte war. Er hätte niemals gedacht, dass sie beide eines Tages derselben Familie angehören würden.
    Win war eine schmale, elegante Frau mit großen blauen Augen und hellblondem Haar. Sie hatte etwas Fragiles, beinahe Ätherisches, das sie deutlich von den übrigen Hathaway-Schwestern unterschied. Nun löste sie sich von der Gruppe in der Zimmermitte, kam auf Christopher zu und reichte ihm die Hand. »Captain Phelan, welch ein Glück wir haben, Sie als Bruder zu gewinnen. Die Männer in der Familie waren mit vier gegen fünf in der Unterzahl, doch dank Ihnen ist das Verhältnis nun ausgewogen.«
    »Ich fühle mich immer noch überstimmt«, beschwerte sich Leo.
    Merripen trat auf Christopher zu, schüttelte ihm kräftig die Hand und musterte ihn wohlwollend. »Rohan meint, für einen Gadjo sind Sie nicht schlecht. Und Beatrix sagt, sie liebt Sie, was mich geneigt macht, der Vermählung zuzustimmen. Aber ich denke noch nach.«
    »Falls es ausschlaggebend ist«, sagte Christopher, »ich bin bereit, all ihre Tiere zu nehmen.«
    Merripen überlegte. »Sie können sie haben.«
    Die Unterhaltung bei Tisch war anfangs lebhaft und vergnügt. Erst als man auf Irland und den Besitz zu sprechen kam, den Merripen bald erben sollte, wurde die Stimmung ernster.
    Vor beinahe zehn Jahren hatte Irland unter einem schrecklichen Kartoffelschädling gelitten, und das Land stürzte in eine Katastrophe, von der es sich bisher nicht erholt hatte. England hatte minimale Hilfe in Form von vorübergehender Handelserleichterungen angeboten, weil man annahm, dass sich das Problem irgendwie auf natürliche Weise erledigen würde.
    Im ohnehin schon verarmten Irland war eine Hungersnot ausgebrochen, der Epidemien folgten, sodass ganze Familien in ihren Lehmhütten oder am Straßenrand starben. Und Grundbesitzer wie Cavan hatten ihre mittellosen Pächter davongejagt oder jene, die blieben, rücksichtslos bekämpft, was zahllose Prozesse und eine Verbitterung nach sich zog, die noch über Generationen andauern würde.
    »Die Ländereien und Pächter von Cavan wurden über Jahre vernachlässigt«, erzählte Merripen. »Großvater war zu sehr mit seinem Besitz in England beschäftigt, um notwendige Verbesserungen oder Reparaturen vorzunehmen. Es gibt weder Entwässerungsanlagen auf dem Land noch Maschinen zum Pflügen. Die Pächter selbst kennen nur die primitivsten Anbaumethoden und leben in Hütten aus Lehm und Stein. Das meiste von ihrem Vieh mussten sie verkaufen, um die Pacht zu zahlen.« Merripen hielt grimmig inne. »Ich traf Cavan, bevor wir nach Stony Cross zurückfuhren. Er weigert sich, auch nur einen Shilling seines Vermögens für die Leute herzugeben, die von ihm abhängig sind.«
    »Wie lange hat er noch?«, fragte Amelia.
    »Weniger als ein Jahr«, antwortete Merripen. »Mich würde erstaunen, sollte er nach Weihnachten noch unter uns sein.«
    »Wenn er nicht mehr ist«, sagte Win, »steht es uns frei, sein Vermögen in die Ländereien zu investieren.«
    »Doch es wird weit mehr als Geld benötigen«, fuhr Merripen fort. »Wir müssen die Lehmhütten durch richtige Cottages ersetzen und den Pächtern eine ganz neue Form des Anbaus beibringen. Sie brauchen alles, Maschinen, Treibstoff, Vieh, Saat …« Seine Stimme versiegte, und er warf Cam einen schwer zu deutenden Blick zu. » Phral , im Vergleich dazu nimmt sich das, was wir auf dem Ramsay-Besitz erreicht haben, wie ein Kinderspiel aus.«
    Cam griff nach oben und zupfte an einer Locke, die ihm in die Stirn hing. »Wir müssen jetzt mit den Vorbereitungen beginnen«, erklärte er. »Ich brauche alles, was wir an Informationen über Cavans Finanzen und Beteiligungen bekommen können. Vielleicht verkaufen wir eines von seinem – deinem – englischen Grundbesitz, um Kapital zu bekommen. Man sollte grobe Schätzungen dessen vornehmen, was nötig ist, und Prioritäten setzen. Wir werden nicht alles auf einmal tun können.«
    »Es ist unermesslich«, sagte Merripen matt.
    Aus dem bedrückenden Schweigen am Tisch schloss Christopher, dass Merripen selten, sofern überhaupt jemals, etwas als unermesslich

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