Herzschlagzeilen
meine beste Freundin mir zu. Als ich mit meiner Erzählung fertig bin, grinst sie und schüttelt den Kopf.
»Mann, Mann, Mann.«
»Ist das alles, was dir dazu einfällt? Sag mir lieber, was ich jetzt machen soll!«
»Was du machen sollst? Du kommst jetzt mit mir da rein«, sie nickt mit dem Kopf Richtung KuBa, vor dem sich schon etliche Leute drängeln, »und trinkst erst mal was Kaltes. Dich hat’s ja so was von erwischt.«
»Erwischt? Was soll mich denn erwischt haben?« Ich verstehe nur noch Bahnhof.
»Nicht was, sondern wer, Süße. Marc Behrendt hat dich erwischt. Ich würde sagen, die volle Hormondröhnung. Vergiss nicht: den Prinzen stehen lassen und das Pferd nehmen. Und jetzt los, ich will die Youngsters von Anfang an hören.« Nina packt mich am Ärmel und zieht mich weiter Richtung Eingang.
Hormondröhnung? Erwischt? Nina mag meine beste Freundin sein, aber jetzt spinnt sie ja wohl total. Marc Behrendt interessiert mich nicht für fünf Cent. Mister Kleckershirt kann von mir aus bleiben, wo der Pfeffer wächst. Ich mache mir Sorgen um meine Karriere und Nina hat nur noch Liebeskram im Kopf. Nicht zu fassen.
W ie sehe ich aus?«, fragt Nina zum ungefähr zwölften Mal, während wir in der Schlange vor der Kasse stehen.
»Immer noch so wie vor fünf Minuten«, antworte ich, während sie sich kritisch in ihrem winzigen Kosmetikspiegel beäugt.
Ich kann es einfach nicht fassen, dass meine beste Freundin sich vor meinen Augen in eines dieser »Für einen Jungen tue ich alles«-Mädchen verwandelt.
Während wir nur langsam in der Schlange vorrücken, erzählt mir Nina nebenbei von dem neuesten Song, an dem die Youngsters gerade arbeiten. Für »wir haben uns nur kurz unterhalten« weiß meine Freundin erstaunlich gut Bescheid.
»Guck mal, da sind sie ja!« Plötzlich packt Nina mich am Arm und zerrt mich aus der Reihe. Weiter vorn sehe ich tatsächlich kurz den Haarschopf meines Bruders.
Ich öffne den Mund, um Nina zu erklären, dass ich Colin kenne, schließlich bin ich ihm heute schon zwei Mal auf dem Flur begegnet, und beide Male war er – nun ja – mehr oder weniger nackt. Wobei das Weniger aus dem viel zu kleinen Handtuch bestand, das er sich um die Hüfte gewürgt hatte. Ein Blick auf meine beste Freundin, die kurz davor ist zu hyperventilieren, lässt mich den Mund wieder schließen. Stattdessen suche ich in meinem Kopf verzweifelt nach Erste-Hilfe-Maßnahmen für den Fall, dass mir Nina gleich ohnmächtig vor die Füße sinkt. Braucht man nicht eine Plastiktüte? In die man dann hineinatmen muss? Hektisch schaue ich mich um. Wo um alles in der Welt soll ich hier eine Plastiktüte auftreiben? Ob das auch mit einem Rucksack funktioniert?
Doch dann gewinnt meine Freundin ihre Fassung zurück, grinst entschuldigend und lässt endlich meinen Arm los. Bestimmt bekomme ich da jetzt einen blauen Fleck.
Fünf Euro Eintritt muss ich bezahlen, um meinem eigenen Bruder beim Schlagzeugspielen zuzuhören. Ich frage mich langsam echt, warum ich mir das überhaupt antue.
Als Nina mich hinter sich her in den Saal zieht, ist der so voll, dass man die Bühne nicht einmal mehr sehen kann. Aber so schnell gibt Nina nicht auf. Sie quetscht sich durch die Leute, als hinge ihr Leben davon ab, ganz nach vorn zu kommen. Ich versuche, an ihr dranzubleiben, auch wenn ich nicht wirklich weiß, was ich direkt vor der Bühne soll. Nichts gegen die Musik der Youngsters, sie sind gar nicht so übel und schreiben sogar fast alle Stücke selbst, aber nach diesem grässlichen Tag kann ich mir weiß Gott etwas Besseres vorstellen.
Auswandern zum Beispiel. In Gedanken verbrenne ich die Pumps meiner Mutter, fülle die Asche in den Umschlag mit meinem Abschiedsbrief und mache mich barfuß auf den Weg. Ich werde in ein Land auswandern, in dem es weder Kindergärten noch Tageszeitungen gibt.
Für Nina hingegen scheint das Glück der Erde plötzlich nicht mehr auf dem Rücken der Pferde, sondern da vorn auf der Bühne zu liegen, und ich ergebe mich seufzend meinem Schicksal. Die Band ist schon vollzählig und stimmt ihre Instrumente.
»Ist hier noch Platz?« Meine beste Freundin zerrt mich direkt nach vorn, wo die Leute so dicht an dicht stehen, dass nicht mal mehr ein Blatt Papier dazwischenpassen würde, aber die Jungs neben uns schauen sich um und fangen bereitwillig an zusammenzurücken.
»Ja klar, für euch doch immer«, sagt der neben mir und zieht mich in eine freie Lücke von maximal zehn Zentimetern. Wütend
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