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Herzschlagzeilen

Herzschlagzeilen

Titel: Herzschlagzeilen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Coppenrath Verlag GmbH & Co. KG
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irgendetwas gebraucht. Ein paar Eltern klatschten Beifall, wobei mir nicht klar war, ob sie dem Kinderchor applaudierten oder der Boxdarbietung von Jean-Pierre und Angelique-Lasalle, das Baby brüllte lauter, hielt dann kurz die Luft an und kotzte in hohem Bogen seine letzte Mahlzeit über das ehemals weiße T-Shirt des griechischen Diskuswerfers.
    »Da bist du ja, mein Schatz. Ach je, hast du ein Bäuerchen gemacht?«
    Die Mutter hatte ihr Baby jetzt auch gefunden und riss es dem Knaben aus den Händen. Der starrte noch völlig entsetzt auf den Mageninhalt, der nun von seiner Schulter tropfte, als eine energische Dame ihn an der Hand packte und sagte: »Herr Behrendt, da sind Sie ja. Wir wollen doch den Kindergarten eröffnen. Haben Sie die Schere?«
    Die Schere? Irritiert guckte ich auf das Werkzeug in meiner Hand und sah mich um. War der Oberbürgermeister jetzt doch hier? Mister gar-nicht-mehr-perfekt entriss mir mit einem finsteren Blick die Schere und stapfte von dannen. An meinem Rock hingen jetzt wieder Jean-Pierre und Angelique-Lasalle, während ihre Mutter mich fragte, ob es in dieser Gruppe gemeinsames oder offenes Frühstück gäbe und wie wir es mit dem Stuhlkreis halten würden. Ich überlegte gerade, ob sie mit offenem Frühstück den Mageninhalt ihres Babys meinte, da fiel mir der Knabe mit der Bastelschere wieder ein, und ich drehte mich um. Ich sah gerade noch, wie er – in der einen Hand ein Frotteehandtuch, das er sich auf die bespuckte Brust drückte, in der anderen Hand die Schere – ein rot-weißes Absperrband durchschnitt. Und zu meiner riesengroßen Überraschung sagte er dazu auch so etwas wie: »… eröffne ich hiermit feierlich die Kindertagesstätte
Die Froschkönige
und wünsche allen großen und kleinen Fröschen eine schöne gemeinsame Zeit in diesen Räumen.«
    Beifall brandete auf, irgendjemand rief »Prost!«, Blitzlichter flackerten auf und ich suchte immer noch verzweifelt nach dem Oberbürgermeister.
    Die Mutter von Jean-Pierre, Angelique-Lasalle und dem Spuckteufel seufzte ergriffen und fummelte eine winzige Digitalkamera aus ihrer Tasche. Sie drückte mir das Teil in die Hand und bat mich, doch schnell ein Foto von ihr und den Kindern zu machen. Ich suchte noch den Auslöser an der Kamera, als ich aus den Augenwinkeln beobachtete, wie sie ihr Baby wieder diesem Ausstellungsstück von Kindergärtner in die Arme drückte, Angelique-Lasalle und Jean-Pierre vor ihm in Position schob und sich dann lächelnd neben ihn stellte. Die Arme legte sie um seine Schultern, als wollte sie ihn gleich auch noch adoptieren, und ich drückte ab. Von mir aus. Sollte sie ihr Foto mit dem Knaben bekommen. Der funkelte mich unterdessen so wütend an, als ob ich ihn mit einer Scherzartikelkamera nass gespritzt hätte.
    »Musste das jetzt sein? Guck doch mal, wie ich aussehe!«
    »Job ist Job.« Ich zuckte ungerührt mit den Schultern und griff wieder nach meinem Notizbuch.
    Argwöhnisch betrachtete er das Teil in meiner Hand.
    »Von welchem Job redest du?«
    Endlich stellte mal einer die richtigen Fragen hier.
    »Ich schreibe für die Zeitung«, antwortete ich stolz und streckte mich ein bisschen, damit die Ballerinas an meinen Füßen nicht so auffielen.
    Er zog die Augenbrauen hoch. »Welche Zeitung?«
    »
Stadtanzeiger
, wieso?« Irgendetwas an seinem Ton gefiel mir nicht.
    »Wenn ich auch nur ein Foto von diesem bekleckerten T-Shirt im
Stadtanzeiger
finde oder sonst auch nur ein Wort von dieser ganzen Aktion hier, dann kann der Laden dichtmachen.«
    Ich starrte ihn an. Hatte der sie noch alle? Was plusterte sich dieser Möchtegernkinderschreck denn so auf? Als ob irgendjemand einen Niemand wie ihn überhaupt in einem Artikel erwähnen wollte.
    »Danke fürs Fotografieren.« Schreibabys Mama nahm mir die Kamera aus der Hand. Dann fiel ihr Blick auf mein Notizbuch und ihre Augen weiteten sich. »Sie sind von der Zeitung? Wie aufregend!«, kreischte sie.
    Wenigstens wusste sie meinen Status zu würdigen. Das brachte ihr deutlich Pluspunkte ein. Ich warf dem Möchtegernpädagogen einen vernichtenden Blick zu.
    Die Jean-Pierre-und-Angelique-Lasalle-Mama war jetzt kaum noch zu bremsen: »Möchten Sie das Foto haben? Ich schicke es Ihnen gerne. Haben Sie eine E-Mail-Adresse?«
    Ich wollte gerade dankend ablehnen, schließlich wollte der
Stadtanzeiger
ja seinen eigenen Fotografen schicken. Aber wo war der überhaupt? Und wo blieb der Oberbürgermeister?
    »Vielleicht nehmen Sie das Foto ja. Das wäre

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