Herzschlagzeilen
so toll für Jean-Pierre und Angelique-Lasalle, einmal in der Zeitung zu sein! Und für Xaver erst. Gell, Xaverlein?«
Xaverlein? Entsetzt guckte ich sie an. Hieß das Baby auf ihrem Arm so?
»Xaverlein auf dem Arm vom Sohn des Oberbürgermeisters. Was für ein tolles Foto! Ach bitte, können Sie dafür sorgen, dass es in die Zeitung kommt?«
Ich schaute von Xaverlein zu dem bespuckten Knaben, der mich immer noch wütend anfunkelte: »Ich warne dich. Ein Foto von mir in dieser Aufmachung und ich …
Er sprach seinen Satz nicht zu Ende, aber das war egal, weil mir zwischenzeitlich so schlecht geworden war, dass ich ohnehin kein Wort mehr verstanden hätte. Dafür kapierte ich schlagartig alles andere. Der Kerl in ehemals Weiß war gar kein Erzieher, sondern Marc Behrendt, seines Zeichens Sohn unseres Oberbürgermeisters und laut Nina der bestaussehendste Typ, den unsere Stadt zurzeit zu bieten hat. Und weil der Oberbürgermeister mit einer Grippe daniederlag, hatte er seinen Sohn geschickt, mal eben flugs in einem blütenweißen Shirt und mit einem lockeren Spruch auf den Lippen den Kindergarten zu eröffnen. Auf einmal fielen alle Puzzlesteine wie bei Tetris in meinem Kopf an ihren richtigen Platz.
Wie konnte ich nur so dämlich sein? Marc geht sogar in die Oberstufe an unserer Schule. Wir sind uns dort zwar noch nie wirklich begegnet, aber jedes weibliche Wesen von der fünften bis zur zwölften Klasse schwärmt von Marc Behrendt. Es ist mir völlig schleierhaft, warum ich ihn nicht erkannt habe. Vermutlich lag das einfach daran, dass ich in einem Kindergarten niemals mit ihm gerechnet hätte.
Ich hatte es vermasselt. Gründlich. Und ich war mir sicher, mit Pumps wäre das nicht passiert.
Ich renne jetzt seit fünfzehn Minuten in meinem Zimmer auf und ab, ohne die geringste Idee zu haben, was ich machen soll. Die Redaktion wartet auf meinen Bericht. Meine Deadline ist zwar erst morgen um 14 Uhr, aber ich würde das Ganze gern hinter mich bringen. Ein Fotograf war ja da, vermutlich liegen in der Redaktion längst Fotos von Marc Behrendt mit vollgekotztem T-Shirt, und alle reden darüber, wer für diese Katastrophe verantwortlich ist.
Drei bis fünf Zeilen. Und ich habe keine Ahnung, was ich schreiben soll.
Ich setze mich an meinen Rechner und öffne eine neue Worddatei.
Kindergarteneinweihung
nenne ich sie, dann starre ich auf die weiße leere Seite auf meinem Monitor. Ich starre und starre und rechne jeden Moment damit, dass sich Blutstropfen auf meiner Stirn bilden, aber mir fällt beim besten Willen nicht ein einziger Buchstabe ein.
So hatte ich mir den Beginn meiner Karriere definitiv nicht vorgestellt. Am besten gehe ich gleich wieder ins Bett.
Mein Handy weckt mich um halb sieben. Es ist Nina, die mich an den Abend im KuBa erinnert. Daran habe ich überhaupt nicht mehr gedacht, und einen Moment lang überlege ich, Nina abzusagen, damit ich den Artikel vielleicht doch heute noch fertig machen kann. Aber sie hört mir gar nicht richtig zu und zwanzig Minuten später sind wir gemeinsam auf dem Weg zum Auftritt der Youngsters. Nina quatscht und quatscht, aber ich bekomme kein Wort mit von dem, was sie erzählt. Nur dass der Name meines Bruders relativ häufig fällt, registriere ich, aber selbst das ist mir im Moment egal.
»Sag mal, hörst du mir überhaupt zu?« Kurz bevor wir das KuBa erreichen, bleibt Nina plötzlich so abrupt stehen, dass ich fast in sie hineingelaufen wäre.
»Nicht wirklich.« Zerknirscht schüttele ich den Kopf. »Mensch, Nina, ich hab’s vermasselt, und jetzt hab ich keine Ahnung, wie ich da wieder rauskommen soll.« Als Nina mich so besorgt anschaut, breche ich fast in Tränen aus.
Sie legt sofort den Arm um mich.
»Na komm, so schlimm kann es doch nicht sein. Alles, was ich kapiert habe, ist, dass der Oberbürgermeister krank war und stattdessen seinen Sohn geschickt hat. Na und? Ist doch cool. Der sieht doch toll aus! Hast du ein Foto von ihm? Am besten mit dir zusammen?«
»Das ist es doch gerade.« Jetzt heule ich wirklich gleich. »Es gibt Fotos, ja, aber nicht mit mir, sondern mit diesem vollgekotzten T-Shirt. Und die dürfen auf gar keinen Fall in der Zeitung erscheinen, sonst bin nicht nur ich meinen Job los, sondern gleich der ganze Laden. Das hat dieser Marc jedenfalls gesagt.«
Nina reißt die Augen auf. »Der hat dir gedroht? Das ist ja der Hammer. Ist doch sein Problem, wenn er sich bekleckert.«
»Eben nicht.« Ich ziehe die Nase hoch und endlich hört
Weitere Kostenlose Bücher