Herzschlagzeilen
erzählen. Ich habe überhaupt nicht vor, irgendjemandem in dieser verrückten Familie davon zu erzählen.
»Ist es Luke? Dieser süße rothaarige Ron-Weasley-Typ?« Gespannt sieht Kiki mich an.
Luke? Mist, jetzt, wo Kiki ihn erwähnt, fällt mir ein, dass er noch auf einen Rückruf von mir wartet.
»Nein, es ist nicht Luke.« Ich schiebe mein schlechtes Gewissen zur Seite. »Und es ist auch völlig egal, wer es ist. Niemand Bestimmtes. Ich wollte das mehr so allgemein wissen«, versuche ich mich herauszureden. Ich sehe meiner Schwester an, dass sie mir kein Wort glaubt. Sie schließt einen Moment die Augen, so als würde sie sehr intensiv über etwas nachdenken. Als sie sie wieder öffnet, fällt mir zum ersten Mal auf, wie hübsch sie sind. Überhaupt ist Kiki richtig hübsch geworden, stelle ich irritiert fest. Wann ist das passiert? Bis eben war sie doch nur meine nervige kleine Schwester.
»Also«, beginnt sie und sieht mich dabei aus ihren wunderschönen Augen sehr ernst an. »Regel Nummer eins: Wenn du Den-dessen-Name-nicht-genannt-werden-darf wirklich erobern willst, musst du dich hilflos machen.«
Ich verstehe nicht. Hilflos?
Kiki muss die Fragezeichen in meinen Augen gesehen haben. »Ja, hilflos. Die Mädchen in diesen Büchern hier«, dabei klopft sie auf das rosa Glitzercover neben sich, »tun immer schrecklich hilflos und verloren. Meistens sind sie es natürlich gar nicht. Aber sie wissen eben, dass die Jungs darauf stehen. Jungs wollen immer gerne der Starke sein, der Held, zu dem alle aufschauen. Der Prinz auf dem weißen Pferd, der die Prinzessin vor dem Drachen rettet.«
Bei dem Wort Prinz zucke ich zusammen. Aber nur leicht.
»Da sind sie alle gleich«, fährt Kiki fort. »Egal ob Werwolf oder Vampir oder einfach nur Musterschüler.«
Oder Vogelmännchen, ergänze ich in Gedanken.
»Sie wollen dich retten. Du musst dich ja nicht gleich vor ein Auto werfen, so wie Bella.« Kiki schenkt Edward an der Wand einen liebevollen Blick. »Vielleicht tut es ja auch ein defekter Fahrradreifen oder so.« Sie zwinkert mir verschwörerisch zu.
Hilflos. Ich hasse es, hilflos zu sein. Und jetzt soll ich diesem Marc ein hilfloses Wesen vorspielen? Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich das nicht tun werde. Zumal ja eigentlich ich diejenige bin, die ihn retten will, und nicht umgekehrt.
»Ach ja – und du solltest natürlich umwerfend gut aussehen«, fügt Kiki mit einem kritischen Blick auf mein Sweatshirt hinzu.
»Danke. Dass ich darauf noch nicht von selbst gekommen bin!« Ich klatsche mir mit der Hand vor die Stirn und mache mich auf den Weg in mein Reich. Kiki zuckt ziemlich ungerührt mit den Schultern und greift wieder zu ihrem Buch.
»Du wolltest doch ein Happy End, nicht ich«, murmelt sie noch, bevor sie wieder zwischen den rosa Buchdeckeln verschwindet.
I ch habe das Gefühl, gerade erst eingeschlafen zu sein, als mein Wecker erbarmungslos klingelt. Kikis Bemerkung, ich müsse einfach umwerfend aussehen, hat mich die halbe Nacht wach gehalten. Dauernd ist diese blonde Barbie im Tennisdress vor meinem inneren Auge aufgetaucht und hat mir höhnisch ins Gesicht gelacht. Genervt haue ich auf die Schlummertaste, was meine kleine Schwester auf der anderen Zimmerseite nicht daran hindert, das Rollo mit lautem Krachen hochzuziehen. Zwei Minuten später dröhnt die Musik von One Direction durch unser Zimmer und Kiki verschwindet trällernd in Richtung Bad. Ich presse mir verzweifelt mein Kissen auf die Ohren. Warum zur Hölle ist meine Schwester schon so wach? Heute ist doch nur ein ganz gewöhnlicher Dienstag.
Argh!
Dienstag?
Schlagartig sitze ich senkrecht im Bett.
Wenn heute Dienstag ist, ist morgen Mittwoch. Und am Mittwoch soll unser Treffen mit Herrn Piesold stattfinden. In der Schule!
Mittwoch – der einzige Tag mit dem Hauch einer Chance, Marc Behrendt zu treffen. Und ich habe noch keine Ahnung, wie ich es schaffen soll, ihn auf mich aufmerksam zu machen.
Das hast du doch am Samstag bereits ganz wunderbar hingekriegt.
Wo kommt auf einmal diese höhnische Stimme in meinem Hinterkopf her?
Ich brauche dringend einen Plan. In Gedanken gehe ich noch mal die Liste durch, die Nina und ich zusammengestellt haben: neue Klamotten – kann ich mir im Moment nicht leisten. Mit dem Hund am Lerchesberg spazieren gehen – bringt heute tagsüber auch nicht wirklich viel. Sämtliche Regatten, Tennisturniere, Golfwettbewerbe und Verni… (was zur Hölle ist der Plural von Vernissage?) abklappern –
Weitere Kostenlose Bücher