Herzschlagzeilen
…« Nina scheint noch nicht wirklich überzeugt zu sein. »Selbst wenn du es schaffst, diesen Marc ab und zu auf dem Schulhof abzufangen, was willst du ihm dann sagen? ›He, Alter, krieg keinen Schreck, aber ich beschatte dich jetzt mal ein bisschen, weil du entführt werden sollst und ich a) das verhindern und b) die Story haben will? Wärst du deshalb bitte so freundlich, mich zu deinem Geburtstag einzuladen?‹«
Da hat sie wohl leider recht. Seufzend greife ich nach der Wasserflasche und trinke einen Schluck.
Plötzlich legt mir meine Freundin einen Arm um die Schulter und sagt grinsend: »Tja, Süße, da sehe ich leider nur eine einzige Möglichkeit. Du musst dafür sorgen, dass der Wunderknabe sich in dich verliebt.«
Ich verschlucke mich und pruste das Wasser in hohem Bogen über Ninas Bett.
»Niemals!« Energisch schüttele ich den Kopf. »Niemals werde ich mich an diesen eingebildeten Kotzbrocken ranschmeißen.« Wirklich nicht? Ich setze erneut Ninas Wasserflasche an und trinke schnell noch einen Schluck Wasser zum Abkühlen.
Stopp, Isa, das ist die komplett falsche Richtung auf der Autobahn der Gefühle. Ganz, ganz falsch.
»Na dann.« Nina zuckt bedauernd mit den Schultern. »Lassen wir Marc eben in sein Unglück rennen. Verdient hat er es ja eigentlich.«
Ich versuche verzweifelt, die Schmetterlinge in meinem Bauch zu ignorieren. Wenigstens haben sie sich jetzt irgendwo auf meinen Organen niedergelassen und schlagen nur noch sanft mit den Flügeln. Aber ich kann nicht verhindern, dass in meinem Kopf dieses Bild entsteht: Marc Behrendt und ich. Eng umschlungen. Seine Lippen auf meinen Lippen. Ich sehe seine schwarzen Locken vor mir und seine leuchtenden blauen Augen, und schwups, fangen die Schmetterlinge wieder an, kreuz und quer durch meinen Bauch zu flattern. Warum muss ich ausgerechnet jetzt an diese blonde Barbie im Tennisdress denken? Ob Voodoo auch mit Barbiepuppen funktioniert?
»Das ist auch keine Lösung. Aber wie soll ich es denn anstellen, dass er sich in mich verliebt?«, jammere ich. »Marc hat mich bisher noch nie auch nur eines Blickes gewürdigt.« Okay, bis auf Samstag, gestehe ich mir kleinlaut. Da hat er mich sogar sehr intensiv angestarrt.
»Wir müssen einen Schlachtplan schmieden!« Jetzt ist Nina in ihrem Element. »Wir müssen herausfinden, wo der Junge sich herumtreibt. Nur in der Schule ist das nicht zu schaffen, da sind wir ja kaum in den nächsten Tagen. Welche Veranstaltungen besucht er? Was sind seine Hobbys? Auf welchen Typ Frau steht er? Was isst er gern, was trinkt er gern, was ist seine Lieblingsmusik, geht er ins Kino, welche Filme guckt er am liebsten?«
Ich mache den Mund auf, um etwas zu sagen, klappe ihn dann aber wieder zu.
»Nina, ich kann das nicht«, wende ich schließlich ein. »So bin ich nicht. Und ich habe so etwas auch noch nie gemacht. Außerdem: Denk an das Pferd.«
»Welches Pferd? Reitet Marc etwa?« Ihre Augen fangen an zu leuchten.
»Nein, er reitet nicht! Jedenfalls nicht, dass ich wüsste.« Ich komme mir vor wie im falschen Film. »›Wenn ein Prinz kommt, nimm das Pferd und lass den Prinzen stehen.‹ Schon vergessen?«
»Ach so, das. Aber das hier ist ein Ernstfall. Und du sollst den Prinzen ja auch nicht wirklich nehmen. Du sollst ihn nur scharf auf dich machen. Einfach scharf genug, dass er dich auf seine Geburtstagsparty einlädt und du deine Story kriegst. Warte – ich hab hier was.« Nina springt auf, kramt in einer ihrer Schreibtischschubladen und zieht einen Stapel Blätter heraus, die sie mir unter die Nase hält.
»Was ist das?« Irritiert werfe ich einen Blick auf die erste Seite. »
Weibliche Anziehung – warum Anziehungskraft alles ist, wenn Sie das Herz eines Mannes gewinnen wollen!
«
»Hab ich mir von so einer Internetseite ausgedruckt. Sollte mal ein Artikel für die
Brennpunkt
werden«, fügt Nina schnell hinzu, als sie meinen Blick sieht.
Für die
Brennpunkt
. Aha. Ich blättere um und überfliege das Dokument. »Jedes Jahr im Frühjahr wissen Millionen von Vogelmännchen genau, welches Lied sie schmettern müssen«, lese ich laut. Nina kramt betont intensiv in ihrer Schultasche. »… kein Vogelweibchen käme je auf die Idee, zur Paarung ein Lied zu singen.«
Fassungslos starre ich sie an und halte ihr die Blätter unter die Nase. »Was ist das?«
»Steht doch drüber. Ein Artikel über weibliche Anziehung.«
»Bei Vögeln?« Langsam beginne ich, an dem Verstand meiner allerbesten Freundin zu zweifeln.
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