Herzschlagzeilen
nicht zu. Ich nehme mir vor, später einmal ein ernstes Wort mit ihr zu reden. Wozu hat man schließlich eine ältere Schwester?
»Wisst ihr schon, in welchen Film ihr geht?« Sie greift nach der Butter und sieht mich dabei fragend an.
Ich bin so überrumpelt, dass ich nicht sofort antworte. Warum vergesse ich auch immer wieder, dass ich mir mit Kiki ein Zimmer teile? Meine kleine Schwester hat natürlich jedes Wort meines Telefongesprächs mit Marc belauscht.
»Ich wüsste nicht, was dich das angeht«, murmele ich und fühle, wie ich rot werde. Verdammt.
»Isa geht nämlich ins Kino«, verkündet Kiki meinen Eltern, die allerdings nicht so aussehen, als ob sie das wirklich interessieren würde. »Mit Marc Behrendt«, fügt sie triumphierend hinzu.
Wenn Blicke töten könnten, würde meine Schwester jetzt stöhnend vom Stuhl sinken.
»Marc Behrendt?« Mama überlegt. »Ist das ein Junge aus deiner Klasse?«
»Mamaaa!« Kiki verdreht die Augen. »Du kennst Marc Behrendt nicht??«
Ich schwanke zwischen dem Wunsch, meine Schwester aus dem Fenster zu werfen oder selbst unter den Tisch zu kriechen. Jetzt mischt sich Papa ein.
»Behrendt? Ist das der Sohn von Klaus Behrendt?«
»Genau der«, kreischt Kiki. »Und der will mit Isa ins Kino gehen!«
»Halt endlich die Klappe«, zische ich meiner Schwester zu und versetze ihr unterm Tisch einen Tritt gegen das Schienbein. Zu meinem Bedauern verzieht Kiki keine Miene.
»Woher kennst du denn Marc Behrendt?« Papa sieht mich forschend an.
»Ist bei uns auf der Schule«, antworte ich schnell und hoffe, dass das Thema damit erst mal erledigt ist. Ich werfe Kiki einen warnenden Blick zu. Aber die ignoriert mich einfach.
»Den hat Isa bei der Einweihung des Kindergartens letzte Woche kennengelernt. Und am Freitag waren sie zusammen auf einer Ver-ni-ssssaaaasch«, flötet sie und zwinkert mir zu.
Verdammt, verdammt, verdammt. Ich bleibe keine Minute länger mehr mit dieser Kröte in einem Zimmer. Genauso gut kann ich mir mit Kiki ein Bett, einen Computer und ein Handy teilen. Sie scheint ja wirklich jedes Detail aus meinem Leben zu kennen. Ob sie auch von der Entführungsstory weiß? Von der Geschichte mit Luke? Von Marcs Küssen? Plötzlich wird mir total heiß. Das kann sie nicht wissen, beruhige ich mich. Und dann hebt Mama langsam den Kopf.
»Vernissage? Du warst am Freitag auf einer Vernissage? Auf der von Boris Yefimenko?«
Ich schlucke. Und nicke. Sagen kann ich nichts. Aber Mama weiß auch so Bescheid. Das sehe ich an ihrem Blick.
»Ist dieser Marc Behrendt nicht ein bisschen zu alt für dich?« Entweder kriegt Papa mal wieder überhaupt nichts mit oder er ignoriert das Ganze einfach.
»Zu alt? Marc ist siebzehn. Damit ist er gerade mal zwei Jahre älter als ich. Du bist fünf Jahre älter als Mama.«
Was rede ich da? Das klingt ja ganz so, als ob ich Marc demnächst heiraten würde.
»Marc ist der bestaussehendste Junge an der ganzen Schule«, erklärt Kiki völlig überflüssigerweise. »Und mit meiner Schwester geht er ins Kino. Hach!« Kiki strahlt mich an. »Gut, dass du mich gefragt hast. Das mit der Hilflosigkeit war ein klasse Tipp, oder? Fürs Kino kann ich dir dann die anderen
Flirtregeln noch verraten.« Ich springe auf. Das höre ich mir keine Minute länger an. »Ich muss mal«, murmele ich und beeile mich, aus der Küche rauszukommen. Vielleicht sollte ich endgültig ins Bad ziehen, überlege ich, während ich die Tür hinter mir abschließe.
W efi knallt die Montagsausgabe auf den Schreibtisch. Erschrocken blicke ich von meinem Notizbuch auf.
»Wo ist der Bericht?«
Meine Güte, ist der heute wieder drauf. Woher soll ich denn wissen, wo irgendein Bericht ist?
»Ich wünsche Ihnen auch einen guten Morgen.«
So. Das hat hoffentlich gesessen. Aber Wefi zuckt nicht einmal mit der Wimper.
Schwer atmend lässt er sich auf seinen Sessel fallen. Dann blättert er demonstrativ die Zeitung auf. Sehr demonstrativ. Genau genommen zerpflückt er die Zeitung fast vor meinen Augen.
»Jahreshauptversammlung des Kleintierzuchtvereins«, sagt er. »Ich vermisse diese Überschrift. Wo steht sie?«
Ich zucke mit den Schultern. Weiß ich doch nicht, wo die den Bericht über die Hühnerzüchter untergebracht haben. Und dann wird mir plötzlich ganz schlecht. Hilflos sehe ich Wefi an. Er starrt wütend zurück, blättert weiter, stöhnt nach jeder Seite und rollt die Zeitung dann zusammen, um sie in hohem Bogen in die Papiertonne zu pfeffern. Wirklich
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