Herzschlagzeilen
der ganzen Welt verraten. Vor allem von Mama. Und von Luke. Luke mit seiner bescheuerten Kamera. Je länger ich darüber nachdenke, desto wütender werde ich. Was fällt dem eigentlich ein, einfach so hinter mir herzuschnüffeln und alles kaputtzumachen? Bester Freund hin oder her. Ehemaliger bester Freund, korrigiere ich mich. Und auf einmal weiß ich, was ich tun werde.
Ich stehe von meinem Bett auf, gehe zum Schreibtisch und schalte meinen Laptop ein.
A m liebsten würde ich heute im Bett bleiben. Bestimmt zum zwanzigsten Mal lege ich meine Hand auf meine Stirn und überprüfe, ob ich mich nicht doch ein klitzekleines bisschen fiebrig fühle. Aber leider ist meine Haut trotz der vorsommerlichen Hitze angenehm kühl. Und eine Krankheit zu erfinden, ist eigentlich nicht meine Art.
Schon gestern habe ich mir beim Wachwerden gewünscht, einfach unsichtbar zu sein oder am besten gleich auf einem anderen Planeten aufzuwachen. Aber leider hat mir das Universum diesen Gefallen nicht getan. Oder es hatte gleich meine ganze Familie mit auf diesen anderen Planeten gebeamt. Jedenfalls war es eindeutig Kikis Stimme, die mich zum Frühstück rief. Wenigstens hatte ich den restlichen Samstag weitgehend meine Ruhe.
Papa ist zum Frühstück nicht einmal aufgestanden. Für mich ein Zeichen mehr dafür, dass hier etwas ganz und gar nicht in Ordnung ist. Denn gerade die Familienfrühstücke am Wochenende waren Papa bisher immer heilig. Mama entschuldigte ihn damit, dass er eine sehr anstrengende Nacht hinter sich hatte und einfach mal ausschlafen musste. Wer’s glaubt … Colin war zum Frühstück ebenfalls nicht anwesend. Er ist mit seiner Band übers Wochenende weggefahren, um an irgendeinem Wettbewerb teilzunehmen.
Blieben nur Mama, Kiki und ich. Ich hatte keine Ahnung, wie ich mit Mama umgehen sollte, denn ich konnte sie nicht mehr anschauen, ohne an ihr rotes Kleid zu denken und mir über den Mann an ihrer Seite den Kopf zu zerbrechen. Sollte ich sie darauf ansprechen? Und wenn ja, wie sollte ich das anstellen? Ich hatte absolut keine Idee, deshalb hielt ich einfach die Klappe und versuchte, das Frühstück so schnell wie möglich hinter mich zu bringen.
»Ich muss heute Vormittag ausnahmsweise in den Laden«, sagte meine Mutter betont beiläufig, während wir zusammen den Tisch abräumten.
Einen Moment lang überlegte ich, ob ich während meiner Runde mit Ayla nicht einfach mal ganz zufällig am Laden vorbeigehen und nachsehen sollte, ob das wirklich stimmte. Oder ob sie allein dort sein würde. Aber ich habe es nicht gemacht. Weil ich zu feige war. Weil ich keine Ahnung gehabt hätte, wie ich reagieren soll, wenn sie tatsächlich nicht im Laden oder nicht allein dort gewesen wäre. Außerdem hatte ich im Moment weiß Gott genug eigene Probleme, da musste ich mir nicht auch noch die meiner Eltern aufhalsen.
Als ich vom Hundespaziergang wiederkam, rief Nina an.
»Isa, sag mal, ist alles in Ordnung?«
»In Ordnung?« Ich holte tief Luft. »Nichts ist in Ordnung. Gar nichts.«
»Ich habe deinen Blogbeitrag gelesen.« Nina klang ziemlich fassungslos.
»Ja und? Stimmt damit etwas nicht?«
»Isa, du weißt genau, dass damit gar nichts stimmt. Luke würde so etwas niemals tun, er …«
»Hat er aber«, unterbrach ich Nina. »Ob du’s glaubst oder nicht.«
Einen Moment lang redete keine von uns. Ich hörte Nina am anderen Ende der Leitung schwer atmen.
»Bitte, Isa, du weißt, ich mag dich total gern. Aber das kannst du wirklich nicht machen. Lösch diesen Beitrag. Bitte. Bevor ihn Luke liest oder am Ende die ganze Schule.«
»Ich denk ja gar nicht dran«, fauchte ich und legte auf. Ich hatte mich noch nie so schlecht gefühlt. Im Grunde wusste ich, dass Nina recht hatte. Mein Blogbeitrag war fies und gemein. Ganz egal, was Luke am Freitag gemacht hatte, das hatte er nicht verdient. Aber, verdammt noch mal, ich hatte das alles auch nicht verdient. Ich war einfach mitten reingeraten in diesen Strudel und kam nicht wieder hinaus. Und nun hielt nicht mal mehr meine allerbeste Freundin zu mir. Aber die hatte ja jetzt auch Colin, die brauchte mich nicht mehr.
Ich spürte, wie die Tränen mir wieder in die Augen schossen, und zog ärgerlich die Nase hoch. Ich würde nie eine gute Journalistin werden, wenn ich bei jeder kleinen Schwierigkeit gleich losheulte. Schließlich träumte ich davon, in die Krisengebiete der Welt zu reisen. Da sollte ich ja wohl mit ein paar mittelschweren Krisen im Hause Heimbucher
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