Herzstück mit Sahne: Roman (German Edition)
einige weit entfernte Lichter.
Ich weiß, dass ich einigermaßen angeschickert bin, aber dieses Haus ist doch fast zwei Kilometer weit weg und hinter einem sehr dichten Wäldchen gelegen. Zweifelnd blicke ich auf meine Füße, die jetzt in viel zu großen Gummistiefeln von Guy stecken. Ich sehe aus, als hätte ich Flossen.
»Das schaffe ich nie«, verkünde ich. Der Weg sieht sehr düster aus, und ich bin mir sicher, dass ich im Schatten schon einen Vampir lauern sehe. »Kannst du nicht mitkommen?«
»Wasn Scheiß! Das ist ewig weit!« Guy gibt mir einen Schubs. »Du brauchst mich nicht. Was issn mit Frauenpower?«
Ich glaube nicht, dass ich über die jemals verfügt habe, aber das verschweige ich Guy lieber.
Ist ja nur ein Weg durch waldiges Gelände. Dem werd ich’s zeigen.
Aber er wird mich sowieso begleiten.
»Na schön.« Ich richte mich auf. »Dann geh ich allein. Tschüss.«
»Tschüss«, erwidert Guy munter und verschwindet in der Dämmerung.
Was? So sollte das aber nicht laufen!
Plötzlich stehe ich mutterseelenallein im dunklen Wald. Eine solche Dunkelheit kenne ich gar nicht. Und was ist dieses orange Leuchten?
Ich wünschte, ich hätte mir niemals The Blair Witch Project angeschaut.
Oder Scream .
Oder überhaupt Horrorfilme.
Tief durchatmen, Katy. Du schaffst das. Ich tappe vorwärts und strecke dabei die Hände aus. Ist doch schließlich nur ein Marsch durch den Wald. Auch wenn es dunkel ist und der Pfad immer steiler wird. Zu gern würde ich den sadistischen Hornochsen metzeln, der es toll fand, sich ein Haus in dieser Wildnis zu bauen. Echt! Und ich bin sicher, dass die Luft von Schritt zu Schritt dünner wird. Wenn Gabriel Gäste haben möchte, sollte er ihnen Sauerstoffflaschen zur Verfügung stellen oder zumindest eine Seilbahn.
Verdammt rücksichtslos, möchte ich mal sagen.
Ich bleibe einen Moment stehen und ringe um Atem. Es ist auch nicht grade hilfreich, dass das Wetter umgeschlagen hat und ein unangenehmer Nieselregen vom Meer herüberweht. Meine Haare kräuseln sich, und mir läuft die Nase, was bestimmt nicht sexy ist. Ich lege es zwar nicht darauf an, für Gabriel gut auszusehen, aber ein Mädel hat schließlich seinen Stolz. Und ich bin auch nicht alle Tage bei einem berühmten Star zum Essen eingeladen.
Keuchend lehne ich mich an einen Baum und blicke auf das Dorf unter mir. Dichter Nebel umwabert die alten Häuser, den Strand sieht man schon nicht mehr. Die Cottages, die auf schwindelerregender Höhe über dem Meer am Hang stehen, sind fast verschwunden unter der Nebeldecke, die Lichter nur noch matt. Ich habe das grauenerregende Gefühl, dass die Welt langsam, aber sicher ausgelöscht wird.
Ich setze mich wieder in Bewegung und tappe den Weg entlang. Offenbar verfüge ich plötzlich über bewegliche Ohren, denn ich kann unglaublich gut hören. Kein noch so weit entferntes Rascheln im Busch oder Knacken im Geäst entgeht mir. Und ich merke, dass sich noch jemand in diesem Wald aufhält. Ich weiß es einfach. Da atmet etwas. Und zwar von Sekunde zu Sekunde lauter.
Okay, Katy. Jetzt nur keine Panik.
Knack! Direkt hinter mir zerbricht ein Ast. Das war’s dann. Ich drehe durch. Blindlings haste ich los, stolpere mit den klobigen Stiefeln über Wurzeln, hangle mich durch Gestrüpp.
Wieso habe ich nicht früher auf meine Kondition geachtet? Warum nur habe ich meine guten Vorsätze nicht schon längst in die Tat umgesetzt? Jetzt ist es garantiert zu spät. Ich kenne diesen Film, ich weiß, was als Nächstes passiert. Das kleine rothaarige Mädchen wird von dem Irren mit der Maske gemetzelt. Ich werde meine Innereien um den Hals tragen und schneller am nächsten Ast baumeln, als man Slasher-Film sagen kann.
Inzwischen bin ich schon fast am Haus angelangt. Nur noch ein kleines Stück Weg. Gleich bin ich da. Ich platze aus dem Wald wie ein Korken aus der Flasche und hämmere mit beiden Fäusten an die Haustür.
»Gabriel!«, brülle ich. »Lass mich rein!«
Nichts rührt sich. Im Haus brennt Licht, aber es ist niemand zu Hause, was eine witzige Metaphorik wäre, wenn ich nicht von Freddy Krueger verfolgt würde. Ich hämmere wieder an die Tür, diesmal so fest, dass sie plötzlich aufgeht und ich ins Haus taumle, während genau in diesem Moment mein mysteriöser Verfolger auf mich hechtet.
Und mir das Gesicht ableckt.
Augenblick mal, hier stimmt was nicht. Sollte es nicht »zückt das Messer und weidet mich aus wie einen Fisch« heißen? Habe ich die Genres
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