Herzstück mit Sahne: Roman (German Edition)
Heimkommen auffordern will, denke ich, während ich in dem Plunder auf dem Bett herumwühle. Wäre nicht das erste Mal. Er wird mich um Verzeihung bitten, weil er mein Notizheft zerrissen hat. Werde ich ihm vergeben? Selbstverständlich. Ich liebe ihn ja schließlich. Morgen beim Frühstück werden wir über die ganze Geschichte lachen. Wird nicht lange dauern, meine Müllsäcke in den BMW zu laden. James wird mich küssen und mir den Ring wieder anstecken, und alles wird wie früher sein. Ich werde mich entschuldigen, weil ich die Essenseinladung vermasselt habe. Bei James und auch bei Julius. Dann werde ich wieder in meinem eigenen Bett schlafen. Und nicht mehr mit annähernd dreißig obdachlos sein.
Ein Segen!
Nach fieberhafter Suche orte ich das Handy schließlich unter der Schokoladentafel. Als ich auf das leuchtende Display blicke, bin ich am Boden zerstört. »Mads« steht da. Und ich war mir so sicher, dass es James sein würde. Er hat es noch nie so lange ausgehalten, ohne mich anzurufen.
Dreck.
Sieht aus, als meint er es diesmal wirklich ernst.
»Hallo, Mads«, sage ich bedrückt.
»Dir auch einen schönen Abend!«, trällert Mads. »Du brauchst nicht so überschwänglich zu sein, weil ich dich anrufe. Wieso hast du dich so lange nicht gemeldet?«
Ich lächle, trotz meiner Enttäuschung. Ich sehe Mads förmlich in ihrer vollgestopften Küche auf der Arbeitsfläche hocken, mit einem Bleistift als Haarspange in ihren wilden, teerschwarz gefärbten Haaren und einem großen Glas Wein in der Hand. Richard wird sich wohl mit einer pietätvollen Seele in seinem Studierzimmer aufhalten, so dass Mads Zeit für ein ausgiebiges Schwätzchen hat.
»Tut mir leid.« Ich verziehe mich wieder unter die Daunendecke. »Läuft gerade ziemlich scheiße alles.«
»Wieder was mit James?«, seufzt Mads. In letzter Zeit haben wir uns viele Stunden mit der Analyse von James befasst. Da mich das Thema allmählich selbst langweilt, kann ich nur erahnen, wie meinen Freunden wohl zumute sein muss. »Was hat er denn jetzt gemacht?«
»Mich rausgeschmissen«, antworte ich und lasse mich dann in allen schauderhaften Details darüber aus. Während ich rede, kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass Mads sich zwar aufregt, aber nicht sonderlich überrascht ist.
»Und nun bin ich hier«, komme ich zum Schluss und stupse Sasha mit einem Zeh an, denn mein anderes Bein ist taub, weil ein halber Zentner Hund daraufliegt. »Fast dreißig, Single und obdachlos.«
»Scheiße auch«, kommentiert Mads, Königin des Understatements. »Du musst ja völlig fertig sein. Zum Glück ist das nicht mir passiert.«
Dazu muss ich jetzt mal was erklären: Ich liebe Mads zwar von Herzen, aber Takt und Mitgefühl gehören nicht eben zu ihren Stärken. Ich meine mich sogar zu erinnern, dass sie vom Uniradio gefeuert wurde, weil sie einem selbstmordgefährdeten Studenten sagte, er solle aufhören zu labern und endlich handeln. Mads ist klasse, wenn es darum geht, sein Leben in die Hand zu nehmen. Sie hockt nicht herum und grübelt, weshalb es mir auf jeden Fall guttun würde, bei ihr einzuziehen. Ihr Einfluss würde mir helfen, mein Leben zu ändern.
»Die Sache hat nur einen Haken.« Mads klingt ein wenig besorgt, als ich ihr mitteile, dass ich in Kürze mitsamt meinen Müllsäcken im Pfarrhaus eintreffen würde. »Es gibt einen ziemlich massiven Grund, warum das nicht geht – es sei denn, du willst dein Leben von Grund auf ändern.«
Ich hoffe inständig, dass dies nicht der Auftakt zu einer dieser Kennst-du-Jesus-Unterhaltungen ist, denn gegenwärtig tauge ich gar nicht als Sonnenscheinchen, lediglich als Gewitterwolke. Für gewöhnlich neigt Maddy nicht zu solchen Gesprächen, aber vier Jahre Ehe mit einem Pfarrer gehen gewiss nicht spurlos an einem vorüber.
»Richard?«, frage ich.
»Natürlich nicht«, lacht Maddy. »Richard findet dich wunderbar!«
»Ich ihn auch«, flunkere ich. Ich finde Richard etwa so wunderbar wie Rosenkohl.
»Nein«, fährt Mads fort, »das Problem besteht darin, dass wir nicht mehr in Lewisham wohnen. Wir sind doch letzte Woche nach Cornwall gezogen, hast du das vergessen?«
»Ach nee!« Ich schlage mir an die Stirn. Natürlich! Ich wusste doch, dass der Umzug bevorstand. Was für eine nichtsnutzige Freundin bin ich eigentlich, dass ich so ein großes Ereignis in Mads’ Leben vergessen habe? »Tut mir leid. Wie ist die neue Kirche?«
»Fantastisch. Du würdest sie lieben, Katy.«
Eine fantastische
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