Herzstück mit Sahne: Roman (German Edition)
mieser.
Cordelia gibt sich nicht die geringste Mühe, ihre Erleichterung darüber zu verbergen, dass sie die Hochzeit nun ad acta legen kann. Wir haben eine kurze telefonische Unterredung, in der ihre Freude fast körperlich zu spüren ist, und dies ist zugleich auch das manierlichste Gespräch, das es jemals zwischen uns gab. Von James höre ich rein gar nichts, was natürlich wehtut. Und zwar gewaltig. Ich weiß, dass zwischen uns nicht immer alles perfekt war, hatte aber doch angenommen, er liebe mich und sei nur wegen dem Stress bei der Arbeit so grantig. Keine Sekunde hatte ich geglaubt, dass seine schlechte Laune etwas mit mir zu tun haben könnte. Nun gut, ich bin recht spontan (was James als »desorganisiert« bezeichnet), und vermutlich neige ich auch zur Verträumtheit, aber das sind ja nun keine Kapitalverbrechen. Und da James sich für mich entschieden hat, kann man wohl schließen, dass er auch einiges an mir mag.
Derlei Gedanken sind rücksichtslos genug, um vier Uhr nachts durch meinen Kopf zu wandern. Nacht für Nacht schlage ich auf mein Kissen ein, heule ein bisschen und muss mich buchstäblich auf meine Hände setzen, um keine verzweifelten SMS in den Äther zu jagen. Ollie und Mads sind sehr verständnisvoll, und ich jammere beiden nonstop die Ohren voll, aber so langsam muss ich jetzt mal die Platte wechseln. Ollie kriegt schon glasige Augen, und Maddy hat mich gestern gefragt, ob ich vielleicht am Tourette-Syndrom leide.
Seit James mich vor zwei Wochen aus seinem Leben geschmissen hat, ist Ollie schwer im Einsatz mit seinem »Entwöhnungsprogramm«. In der Küche steht eine »James-Kiste«, in die ich bei jeder Erwähnung des Namens ein Pfund legen muss. Auf dem Dartbrett im Flur wurde mit Klebestift ein Foto von James befestigt, und es ist Bestandteil meiner Therapie, das Gesicht meines einstigen Verlobten regelmäßig mit Pfeilen zu spicken. Ich habe gar keine Zeit, in eine Depression zu verfallen, weil ich ständig in Pubs und zu Partys geschleift werde, und Maddy ruft dauernd an und schildert mir die fantastischen Männer, die sie in Cornwall für mich sichtet. Alle legen sich so ins Zeug, um mich aufzuheitern, dass ich schon völlig erschöpft bin und mich am liebsten nur noch einrollen und in Ruhe vor mich hin jammern würde. Das ist doch eigentlich ganz angemessen, wenn eine Verlobung platzt, oder nicht?
Offenbar nicht. Ich finde es einigermaßen kränkend, dass meine Freunde meinen, ich hätte mehr Grund zum Feiern als zum Heulen.
Von Zeit zu Zeit verkünde ich, dass ich James nicht kampflos aufgeben kann. Worauf Ollie Kotzgeräusche von sich gibt, was er sich eigentlich nicht erlauben sollte, da die Fiese Nina ständig am Telefon hängt und zu jeder Tages- und Nachtzeit hier auftaucht. Dass ich derzeit bei Ollie wohne, findet sie wohl ganz grandios. Oder eher nicht.
Ol behauptet, er habe ihr mitgeteilt, dass es zwischen ihnen aus sei, aber Nina schert sich nicht darum. Sie klammert, und Ollie ist wie üblich zu gutmütig, um ihr klarzumachen, dass sie bitte endgültig abhauen soll. Vielleicht hätte er Nachhilfe bei James nehmen sollen. Der hat nicht lange gebraucht, um mich loszuwerden. Wahrscheinlich hätte ich einfach mehr um ihn kämpfen müssen.
Das Problem ist nur, dass ich nicht so der Kämpfertyp bin. Ich wäre zwar liebend gerne jemand, der im Mittelpunkt steht und von allen bewundert wird. Die traurige Wahrheit ist aber, dass ich mich seit jeher zurücknehme und hoffe, übersehen zu werden. Früher in der Schule saß ich immer mit gesenktem Kopf da, damit die Lehrer mich möglichst nicht bemerkten, an der Uni dito. Und dieses Verhalten setze ich nun wohl fort, denn anstatt James’ Auto mit einem Bulldozer platt zu walzen und in seinem Seegrasteppich Kresse anzupflanzen, greine ich seit zwei Wochen in mein Kissen und lege meine Leber in Alkohol ein.
Ich fange sogar schon an, mich selbst langweilig zu finden.
Am dritten Montag beschließe ich, die Arbeit noch einen Tag länger zu schwänzen (zum Glück schreibt mich jeder Arzt wegen Stress krank, sobald er sieht, dass ich Lehrerin bin), aber nicht mehr die Heulsuse zu geben. Ich muss mein Leben jetzt selbst in die Hand nehmen und mich aus der Abhängigkeit von Ollie und Maddy lösen. Millandra würde um Jake kämpfen. Das sollte ich also mit James auch tun. Man muss schließlich an Beziehungen arbeiten, nicht wahr?
Sobald Ollie Richtung Schule verschwunden ist – wobei er finster irgendwas von Drückebergern murmelt,
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