Herzüberkopf (German Edition)
Lea.
„Hi … da seid ihr also“, sagte eine ähnliche Stimme, wie Lea sie hatte, was Louis auffiel und als die Person sich herunterbückte, um Louis zu begrüßen, blickte Louis in ein anderes blaues Augenpaar, das er spontan zu deuten wusste.
„Hallo, du kannst eigentlich nur die Schwester von Lea sein, was unschwer zu sehen ist“, lächelte Louis sie an. Trotz gewissem Unterschied im Typ, war es doch sichtbar, dass sie Geschwister waren.
Tini war sehr nett und die Begegnung war für Louis offen und heitere Freundlichkeit stand in ihrem Gesicht, während sie sich dazusetzte. Louis hatte schon von Berufs wegen keinerlei Schwierigkeiten, fremde Menschen kennen zu lernen. Nun aber betrat er ein völlig neues Terrain, wenn es darum ging, den Bekannten- und Familienkreis von Lea zu kontaktieren. Er war neugierig darauf, wie Leas Umkreis ihn wohl sehen mochte. Gleichzeitig bemerkte er eine ähnliche Stimmung in Leas Gesicht – vielleicht ging es ihr genauso. Er erinnerte sich, dass er vor Jahr und Tag ein ähnliches Gefühl erlebt hatte, als seine erste Jugendfreundin ihn das erste Mal mit nach Hause gebracht hatte und Louis schüchtern die prüfenden Augen ihrer Mutter tonnenschwer auf sich wandern spürte, während ihr Vater damals ihm die Hand drückte, sodass Louis von da an gewusst hatte, dass es nicht nur den ‚Seewolf‘ aus einer Fernsehsendung als Einzigen gab, der eine rohe Kartoffel in seinen Händen zu Brei zerdrücken konnte. Als Louis später einmal seinen Vater darauf angesprochen hatte, erwiderte dieser, dass Kartoffelbrei nicht schmecken würde, wenn die Kartoffel zuvor nicht weichgekocht sei und es somit auch unnütz sei, die Kraft darauf hin zu trainieren. Louis hatte durch die eher intellektuelle Perspektive seines Vaters eine neue Ansicht darüber gewonnen, hielt aber den Respekt vor derartigem Kraftakt still aufrecht.
Als die Sonne sank und es in der kleinen Runde am Stein frisch wurde sah Tini auf die Uhr und meinte, dass sie alle mit ins Haus kommen könnten, da ihr Freund jeden Moment aufkreuzen würde. Louis sah etwas überrascht und fragend Lea an, die ihn leicht lesen konnte und lächelnd erklärte, dass ihre Eltern nicht da seien und erst spät zurückerwartet wurden. So packten sie ihre Sachen ein und gingen hinauf zum Haus. Es war ein niedliches Ferienhäuschen, im Schwarzwaldstil erbaut und mit romantischem Ausblick auf den See. Schon seit drei Generationen im Besitz der Familie von Leas Mutter. Ein Schmuckstück auf einem einzigartigen Flecken Erde am See. Das Innere barg einen robusten ländlichen Stil, ganz aus gebeiztem Holz und den typischen Sprossenfenstern. Das Wohnzimmer erinnerte Louis ein wenig an sein Elternhaus, welches eine ebensolche gute Stube besessen hatte. Kaum hatten es sich die drei gemütlich gemacht, klopfte es an der Tür.
Ganz so behaglich fühlte sich Louis nicht; er ließ es sich nicht anmerken, jedoch hatte er jeden Moment das Gefühl, Leas Eltern würden hereinkommen und … nun ja, im Grunde war gar nichts dabei, ihnen zu begegnen … dennoch war es Louis seltsam zu Mute. Schließlich war es durchaus etwas Besonderes, dass Lea mit einem Mann eine zärtliche Freundschaft pflegte, der um Jahre älter war als sie. Zudem kannten sie Louis nicht und allzu schnell würde sicherlich das übliche Klischee im Raum vorherrschen, dass es typisch wäre und er ein Mann um die vierzig sein würde, der zum Spaß und zu nichts sonst ein junges Mädel bevorzugte. Schließlich wusste niemand, außer Lea selbst, wie sie zueinander gefunden hatten und nicht einmal das war eine klare Absage auf jenes Klischeebild. Nur Louis wusste, dass er nie zuvor daran gedacht hatte, eine Beziehung zu einer um viele Jahre jüngere Frau anzustreben. Dieses Bewusstsein pflanzte sich erst seit noch nicht einmal vergangenen vierundzwanzig Stunden in sein Gemüt. Der Umgang mit jungen Menschen war Louis vertraut. Er verstand deren Sprache rasch, da er in seinem Beruf mit der Mode zu tun hatte und diesen auch mit Begeisterung und Herzblut ausführte. Seine Klientel war ferner überdurchschnittlich jung und seine nebenberufliche Künstlertätigkeit führte ihn ebenso in junge Kreise. Sein Freundeskreis bestand im Ganzen aus jüngeren Personen, als er es war. Louis wurde allgemein auch jünger eingeschätzt. Seine gleichaltrigen Schulkameraden, die er teilweise noch im Umkreis wusste, waren entweder eng in Vereine involviert; meist verheiratet und lebten ein völlig anderes
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