Herzüberkopf (German Edition)
sich nah gegenüber … sehr nah – Lea war nur wenig kleiner als Louis – es war zu nah, um wieder weg zu gehen. Sie sahen sich an, schweigend und dann küssten sie sich. Louis spürte ihre Lippen auf den seinen – fühlte ihren warmen Atem – und atmete ihren Duft ein, während seine Hände ihren Nacken suchten und auch er ihre Hände an seinem Hals fühlte. Lange und viele Atemzüge lang, klebten ihre Lippen aufeinander und saugten sich aneinander fest. Seine Hände tasteten sich an ihrem Rücken entlang, wieder hoch, unter ihre langen Haare, erneut zum Nacken hin, wo ihr warm wurde, um dort zu bleiben und Lea während dem Küssen zu streicheln. Erst als ihre Lippen kurz voneinander ließen, spürten sie beide diesen Taumel … und im Augenblick wussten sie nicht einmal mehr genau, wo sie sich befanden … lachten nur darüber und verließen im Regen den nassen Marktplatz mit dem Blumenbogen, der viele Minuten lang Schutz geboten hatte. Hand in Hand gingen sie langsam zurück die dunkle, nasse und menschenleere Straße entlang, zum See hinunter. Unterwegs hielten sie noch einmal an, konnten nicht voneinander lassen und küssten sich immer wieder, umarmten sich mit einer Zärtlichkeit, welche aus einer unbegreiflichen Tiefe zu kommen schien. Auf der Hälfte des Weges fragte Louis sie zärtlich:
„Geht’s dir gut, Lea?“
„Ja“, sagte sie ganz leise, „es geht mir sehr gut. Ich habe es gespürt, dass es so kommen wird“, flüsterte sie und wieder schauten sie sich lange in die Augen, näherten sich einander ganz langsam, schlossen die Augen und umarmten sich fest.
Das Ferienhäuschen war noch dunkel, als sie an der Pforte anlangten. Sie gingen still daran vorbei zum Ufer hinunter zum Stein. Es hatte aufgehört zu regnen; der Wind blies stark und es war sehr dunkel. Nur hin und wieder blinkte der Mond zwischen die aufreißenden Wolken hindurch, die in raschem Tempo am Himmel entlangzogen. Aufgeregt zog Louis die Decke aus dem Rucksack und breitete sie im Windschutz des Steines aus. Lea schmiegte sich eng an Louis‘ Brust und er hielt sie fest umschlungen. Sie fühlten einander und sagten nichts. Die Blätter der Birken fächelten ihr rauschendes Lied und die Äste der Bäume knackten, während die Stämme sich dem Nachtwind beugten. Louis und Lea schmusten eng umschlungen und vergaßen vollends die Zeit und den Raum um sie herum. Louis fühlte ein unvorstellbares Glück und dieses Glück hatte Gestalt angenommen und er hielt es fest in seinen Armen. Sein Glück hieß Lea.
Es kam der Moment des Aufbruchs und des Abschieds für diese Nacht. Beide erhoben sich unfreiwillig und schlenderten, sich an den Händen haltend, hinauf zum Weg und standen wieder am Gartentürchen.
„Komm gut nach Hause“, war der erste Satz seit längerem Schweigen von Lea und dabei drückte sie Louis‘ Hand fester zu und gab ihm sein Barrett zurück, das sie seit dem Verlassen des Cafés getragen hatte.
„Und du schlafe gut nachher“, sagte Louis und berührte hauchzart Leas Ohr mit seinen Lippen. Er blieb so lange vor der Gartentür stehen, bis Lea das Hof-Licht eingeschaltet hatte und die Haustür sich wieder schloss. Lea hatte ihm noch einmal unter der Tür zugewinkt. Louis ging wie mechanisch zum geparkten Wagen – seine Gedanken waren im Erlebten vom Abend. Er konnte es kaum glauben, was da geschehen war. Noch im Café, nachdem er Leas Fragen klar beantwortet hatte, war er fest der Überzeugung gewesen, dass sie sich in Anbetracht der Umstände wohl nicht mehr am See treffen würden. Doch dann war er ins Staunen geraten, als Lea mit heiterem Gesicht sein Barrett aufgesetzt hatte. Und als sie sich beim Marktplatz unter dem Blumenbogen näher gekommen waren, war auch der letzte Stein von Bedrücktheit aus seinem Herzen gefallen.
„Was war nur in Lea vorgegangen?“, fragte Louis sich. „Klarheit wollte sie wohl, zu Recht“, kam als Antwort in seine Gedanken eingeflochten, als er gleichzeitig zum Mond aufsah, der inzwischen die Wolken vertrieben hatte und zu lächeln schien. Als Louis im Wagen saß, war er völlig aufgewühlt. Die sonst routinemäßigen Handlungen, um den Wagen auf die Straße zu bringen, waren plötzlich schwierige Manöver. Er vergaß die Scheinwerfer einzuschalten, wäre um ein Haar vorwärts auf einen Holzpfahl gefahren, weil er nicht den Rückwärtsgang eingelegt hatte und das Signal wegen dem versäumten Anschnallen irritierte ihn, was sonst nie passierte und es dauerte einige
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