Herzüberkopf (German Edition)
nebenbei Dinge angesprochen, die sonst nicht oder nur unter zähem Fragen auf den Tisch gekommen wären. Später brannte das Lagerfeuer und die beiden brieten ihr mitgebrachtes Essen bis in die Dunkelheit hinein. Wieder zu Hause war es Morris wichtig, seinem Vater das neue Spiel mit seiner Play-Station zu zeigen und Louis erinnerte sich an das Interesse Leas daran; fand sogar in dem Gedanken einen Antrieb, sich ebenfalls mehr dafür zu interessieren und so kam es, dass die beiden noch lange bei einem Spiel mächtig Spaß hatten.
Der Dienstag und der Mittwoch wollten nicht vergehen. Seit seiner Jugend hatte Louis dieses Gefühl nicht mehr gehabt, wie es ist, wenn man stets auf die Uhr schaut und die Zeiger sich nicht zu bewegen scheinen. Auch als in seiner Ehezeit die Kinder zur Welt kamen, da hatte er dieses Gefühl natürlich intensiv gekannt; aber das war eine völlig andere Ebene des Erlebens und des Wartens gewesen, die keinen Vergleich zulässt; ebenso wie man der Zeit bange wird, wenn Kinder erkranken. Nein, diesmal war es ein anderes Gefühl … ein Louis nicht unbekanntes Gefühl; eines, welches möglicherweise jenem entsprechen könnte, das ein Rennpferd vor dem Start hegt. Das Pferd weiß instinktiv, dass es siegen wird, doch es muss auf den Start warten, sonst ist alles umsonst. Am Mittwochabend hatte es zu regnen begonnen und Louis beschloss zu joggen. Wäre der See für ihn zu Fuß erreichbar gewesen, wäre er sicherlich mit Wonne im Regen schwimmen gegangen. Es hatte sich schon gezeigt, dass er am See gewesen war und eine Regenwolke sich über dem Gebiet ergoss. Wenn darauf kein Gewittergrollen folgte, war es ein besonderes Erlebnis, zu schwimmen. Meist bildete sich dann auf der Wasseroberfläche feiner Nebel und die Natur ringsum begann ein mystisches Bild zu entfalten. Louis zog sich um und joggte direkt vom Haus weg, in dem er wohnte. Er konnte durch den Garten im Hinterhof direkt auf einen Weg, der in den Wald führte. Dort gab es ein wunderbares Wegenetz durch einen Wald, vorwiegend mit Laubbäumen und zum Süden hin gelegen; demzufolge trocken und sonnenbeschienen. Louis liebte das Joggen ebenso wie das Schwimmen oder Radfahren im Sommer. Sport trieb Louis von Jugend an. Und ganz besonders für sich alleine; durchaus hatte er sich früher einmal dazu ermuntern lassen, Fußball, doch dem Mannschaftssport konnte er schon von Anfang an nichts abgewinnen und so ließ er es mit der Zeit wieder sein. Louis bevorzugte die Freiheit, spontan zu entscheiden, welchen Sport er machen wollte und vor allem, zu welcher Zeit. Es gab seit Jahren keine Woche, in der er sich nicht mindestens dreimal sportlich ausgiebig betätigte. Er bog in den Philosophenweg ab, einem wunderbaren Weg, von dem aus er das Städtchen von oben im Blickfeld hatte. Es war kaum jemand unterwegs um diese Zeit. Beim Laufen fühlte Louis sich wunderbar. Das war ein gutes Zeichen, denn wenn ihn etwas bedrückte, spürte er es am ehesten beim Sport; denn da kommt die Verbindung zwischen Körper, Seele und Geist am meisten zu tragen. Stimmt eines der drei Teile nicht vollkommen überein, ist das ein untrügliches Zeichen dafür, sich um bestimmte, oft verkannte Prioritäten des Körpers, des Geistes oder der Seele zu kümmern.
Beim Laufen erinnerte Louis sich, dass er, seit er Lea kannte, immer nur Schwimmen gegangen war, aber noch nicht gejoggt hatte. Jetzt fühlte es sich wunderbar an. Dieses Gefühl bestärkte ihn, dass er mit Lea auf dem richtigen Weg war.
„Endlich Donnerstag!“. Und gleichzeitig:
„Oh nein, schon Donnerstag!“, dachte Louis, als er sein Frühstück richtete. Einerseits freute er sich auf Lea am Abend – er hatte im Anmeldebuch des Geschäftes eine Stunde früher blockiert, sodass er dementsprechend eher losfahren konnte; andererseits bedrückte ihn das Bewusstsein darüber, dass Lea schon übermorgen nach Korfu abreisen würde. Dabei würde selbst Louis einem Freund, der unter gleicher Bedingung sich ihm anvertrauen würde, antworten:
„Das ist sogar eine gute Zeit dazwischen; zum Nachdenken … in sich kehren und sich während dem Warten wieder auf die Liebste freuen können, et cetera.“ Doch Louis wusste, dass solche Worte nur Geschwafel für denjenigen waren, der wirklich betroffen war. Da halfen Worte nichts – wenigstens nicht bei Louis. Nein, er brauchte Taten! Doch hierbei gab es nichts zu tun, als zu warten, bis Lea wieder von Korfu zurück sein würde; außer, …! Aber das war absurd
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