Hesse-ABC
stand er an der Treppe, verließ ich
anderen Tages das Haus schon um halb sieben, so war er auch
da.« Seine Allgegenwart wird zum stärksten Eindruck des Ortes,
hinter dem alle noch so prächtigen Schmetterlinge verblassen.
Dennoch: Der skurrile Menschenschlag des Sammlers und Jägers
fasziniert Hesse. Er gleicht auf seltsame Weise dem Objekt seiner
Begierde. Dabei weiß der Dichter genau, daß der Sammler dem
Geheimnis des Schmetterlings niemals beikommen wird. Dieses
bleibt ganz der poetischen Verklärung vorbehalten.
Schoeck, Othmar
Hesse hat ihn immer hochgeschätzt, obwohl er das Libretto zur
Oper ↑ Bianca , das Hesse für ihn schrieb, dann doch nicht vertonte.
1941 notiert Hesse über seinen Freund Schoeck sogar, er halte ihn
für den »bedeutendsten Liederkomponisten dieser Zeit«. Vor al-
lem fasziniert Hesse an ihm jenes »Beieinander von Robustheit
und Leidensfähigkeit, das Verständnis für die naivsten Freuden
gepaart mit dem Verständnis fürs Geistige, die hohe und nicht
schmerzlose Differenzierung der Persönlichkeit, die sinnliche Po-
tenz im Verein oder auch im Kampf mit der geistigen«. Schoeck,
ein Regerschüler, vertonte die Hesse-Gedichte »Ravenna«, »Früh-
ling«, »Elisabeth« und »Kennst du das auch?«. Bei Hugo Ball klingt
allerdings ein leichter Vorbehalt mit, wenn er formuliert, Hesse
und Schoeck verbinde die Überzeugung, daß es die Melodie sei,
die den Musikanten ausmache. Die Verbindung mit Schoeck ist für
Hesse besonders eng, ja zeitweise sogar innig, weil sie beide ihre
künstlerischen Aufbrüche Anfang des Jahrhunderts gemeinsam
erlebten. Schoeck war Anfang Zwanzig, als sie sich kennenlernten,
und Hesse wohnte in Gaienhofen als Familienvater am Bodensee,
wo ihn Schoeck gelegentlich besuchte. Hesse berichtet in seinen
»Erinnerungen an Othmar Schoeck« (1936) davon: »... schon nach
wenigen Gesprächen tauchte in unseren Gesprächen als Hauptfi-
gur ein geliebter, dämonischer Schatten auf, den wir beide glü-
hend liebten und über den wir oft und oft gesprochen haben:
Hugo Wolf.«
Gemeinsam mit Schoeck reiste er auch nach Italien, um sich –
dreißig Jahre später – voll Ehrfurcht daran zu erinnern, wie
Schoeck in einer Spelunke in Orvietto an einem Spielautomaten
(!) drei Mal hintereinander auf höchstem Risiko-Niveau spielte
(mit der Bemerkung, beim Spielen müsse man aufs Ganze gehen)
– und gewann: »Jetzt war es Zeit abzureisen, die Stammgäste und
die Nachbarschaft waren beunruhigt.« Dann gibt es eine Zeit, in
der sie sich kaum noch sehen, die Zeit des Ersten Weltkrieges –
als Hesse für die ↑ Gefangenenfürsorge in Bern arbeitet und bekundet, er könne »die Berührung mit allem Schönen, und vor al-
lem mit der Musik kaum mehr ertragen«. Denn die Musik ist für
ihn, wie er schreibt, »die stärkste, unmittelbarste Mahnung an
alles Zarte, Holde und Heilige, von dem die Welt nichts mehr wis-
sen wollte«. Und dann trifft Hesse Schoeck doch, zufällig, wie es
scheint, im April 1916 auf dem Züricher Bahnhof, als er gerade in
den Zug nach Winterthur steigen will und Schoeck ihn vorsichtig
am Arm festhält und bittet, nicht zu fahren. Hesse wehrt lachend
ab und will einsteigen. Worauf Schoeck ihm sagt, daß sein Vater
gestorben ist. Diese Nachricht zu überbringen, ist er von Maria
↑ Bernoulli ausgeschickt worden.
Schreibmaschine
»Smith Premier N° 4« – das ist die Markenbezeichnung für Hesses
Schreibmaschine. Klein darunter steht: Made in U.S.A. Diese
Schreibmaschine erwarb Hermann Hesse 1908 in Konstanz. Ihr
blieb er lebenslang treu. Auf ihr konnte man kursiv schreiben, und
außerdem besaß sie eine doppelte Tastatur für kleine und große
Buchstaben. Von »Gertrud« bis zum »Glasperlenspiel« entstanden
alle Manuskripte auf dieser Maschine, außerdem Zehntausende
von Briefen. In seinem Text »Die Schreibmaschine« wird noch
etwas von der naiven Unschuld im Umgang mit dieserart Schreib-
Technik offenbar, ein Staunen, das viel über Hesses ebenso sensi-
bles wie präzises Wahrnehmungsvermögen sagt: »Früher war
zwischen Manuskript und Druck ein gewaltiger Unterschied. Die
Sachen sahen in der Handschrift oft weit länger oder kürzer aus,
als sie waren! So ein Manuskript, wenn man es überlas, schaute
einen mit der vertrauten Handschrift gar schmeichelnd an wie ein
Spiegel die Braut, man fand es recht wohlgeraten oder doch leid-
lich, auch wenn es arge Mängel hatte. Dagegen die
Weitere Kostenlose Bücher