Hesse-ABC
›Romantik‹ ist eine Art von
Schimpfwort geworden, mit dem der heutige Deutsche alles das
bezeichnet, was ihm unrentabel, verstiegen und jugendlich-
idealistisch erscheint.« Dies notiert er 1926 zur »Steppenwolfzeit«
in dem Text »Herbst«. Wie Thomas Mann mit seiner Joseph-
Tetralogie den Mythos gegen seinen politisch schändlichen Miß-
brauch durch die nationalsozialistische Ideologie retten will, so
wehrt sich Hesse gegen die Abwertung der Romantik vor dem
Hintergrund einer reaktionären politischen Romantik. Seine Bot-
schaft lautet darum 1926 im »Geist der Romantik«: »Irgendwie ist
das Gefühl vorhanden, daß der deutsche Weg zur Selbstfindung
noch einmal am Zauberberg der Romantik vorbei führen müsse.«
Romantische Lieder
1898 erschienen im Verlag E. Piersson Hesses in Tübingen ent-
standenen »Romantische Lieder«; sein literarisches Debüt. Ihr
Motto lautete: »Seht, der Fremdling ist hier, der aus demselben
Land/Sich verbannt fühlt wie ihr, traurige Stunden sind/Ihm ge-
worden; es neigte/Früh der fröhliche Tag sich ihm.« Eine Anspie-
lung auf die Nachtkönige aus Novalis' »Heinrich von
Ofterdingen«. Den Druck des Buches hatte Hesse selbst bezahlen
müssen, innerhalb eines Jahres wurde es 54 Mal verkauft, und
Hesse, der ein Honorar von 35,10 Mark erhielt, wurde damit
gründlich über die unromantische Prosa des Buchhandels belehrt.
Roßhalde
Das Ideal einer auf Liebe gegründeten Verbindung zweier Men-
schen scheitert zwangsläufig an ihrer Institutionalisierung. Das
Bürgerkünstlerthema. Bürgerliche Befestigung bedeutet geistigen
Stillstand, also Abbruch des Lebens als permanent schöpferischen
Erneuerungsversuch. Damit ist klar, wie Hesse 1914 seinen Ehe-
roman »Roßhalde« anlegt. Zumal er hier eigene – traumatische –
Erlebnisse in seiner immer unglücklicher werdenden Ehe mit Ma-
ria Bernoulli verarbeitet. Man kann nicht zugleich Bürger bleiben
und Künstler sein wollen, lautet die Grundeinsicht. An seinen Va-
ter schreibt er: »Denn die unglückliche Ehe, von der das Buch
handelt, beruht gar nicht auf einer falschen Wahl, sondern tiefer
auf dem Problem der ›Künstlerehe‹ überhaupt, auf der Frage, ob
überhaupt ein Künstler oder Denker, ein Mann, der das Leben
nicht nur instinktiv leben, sondern vor allem möglichst objektiv
betrachten und darstellen will, ob so einer überhaupt zur Ehe fä-
hig sei.«
Viel Nietzsche ist in diesem kleinen Buch über den Maler Vera-
guth, der an der Kälte seiner sich ihm entfremdenden Frau leidet
und während der tödlich verlaufenden Krankheit des Sohnes um
eine Entscheidung ringt. Der Freund Otto Burckhardt rät zu einem
mutigen Entschluß: dem Bruch mit der bloß leere Konvention ge-
wordenen Verbindung. Man muß fähig bleiben, das Neue zu wol-
len, eine radikal ehrliche Position zu sich selbst einnehmen, auch
wenn es schmerzt: »Du mußt alles, was du hast, wegwerfen und
mußt dich von allem Vergangenen reinbaden, sonst wirst du nie
mehr ganz heil und frei in die Welt blicken können.« Dieser Ton,
den Hesse hier anschlägt, läßt die traditionelle Romanform gründ-
lich hinter sich. Das Ende der alten Welt naht mit dem Ausbruch
des Ersten Weltkrieges, es spiegelt sich im Kleinen bereits im sich
anbahnenden Ende von Hesses Ehe. Der Bürger, dessen Repräsen-
tations-idealen Hesse, wenn auch nicht anhing, so doch ihnen
auch nicht entschieden widersprach, ist dabei, seine kultur- und
gesellschaftserhaltende Rolle zu verlieren.
S
San Abbondio
Hier, auf dem Friedhof, wird Hesse am 11. August 1962 vier Uhr
nachmittags in einem Grab an der südlichen Friedhofsmauer be-
graben. Es ist ein heißer Sommertag. Den Trauergottesdienst hält
Hesses Schulfreund Johannes Voller. Neben der Familie sind eini-
ge enge Freunde anwesend. Siegfried Unseld liest das Gedicht
»Leb wohl, Frau Welt«. Auch Ninon Hesse wird hier, vier Jahre
später, im September 1966, begraben. Auf dem Grab befindet sich
ein schlichter Stein aus Granit. Lebensbäume sind gepflanzt und
wachsen über die Friedhofsmauer hinaus.
Saxophon
Ausgerechnet ↑ Mozart nennt es ein »famoses Instrument«. Mozart und Jazz? Im »magischen ↑ Theater « des ↑ » Steppenwolfes« g eht auch das. Musik wird zur Notwehr gegen den erdrückenden Ernst
des Lebens, und das Saxophon macht zu der großen Heiterkeit der
Lebensklugen die passende Musik. Ein heiteres Klagen. Hesses
Entdeckung des Saxophons geht auf seine
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