Hetzer & Kruse 03 - Schattengift
zuhören kann.“
„Hallo Wolf, hallo Peter. Danke, mir geht es gut!
Und euch?“
„Oh, Verzeihung, dass ich auf diese höflichen Floskeln verzichtet habe“, sagte Hetzer, „später wieder.
Kannst du sagen, zu wem der Finger gehört hat?“ Nadja stöhnte kaum hörbar.
„Ja, kann ich.“
„Und? Nun lass dir doch nicht schon wieder jedes Wort aus der Nase rausziehen.“
„Er gehörte mal Marie-Sophie Schulze.“
„Du sprichst in Rätseln. Heißt das, dass sie tot ist?
Dass jemand den Finger abgetrennt hat, um uns wissen zu lassen, dass sie nicht mehr lebt?“ Wolf versuchte, so unbeteiligt wie möglich zu klingen.
„Möglich.“
„Kann es nicht auch sein, dass man ihn einfach amputiert hat, um uns ein Zeichen zu senden? Eine Warnung?“
„Theoretisch auch möglich, aber in den letzten Tagen war kein Leben mehr in ihm.“
„Im Finger? Du meinst, man habe ihn schon vor einiger Zeit abgeschnitten?“
„Nein, der Schnitt sieht ziemlich frisch aus, sonst wären die Ränder mehr verwelkt.“
„Jetzt verstehe ich gar nichts mehr“, sagte Peter.
„Ich auch nicht!“, stimmte Hetzer zu.
„Das ist doch ganz einfach. Der Finger war schon totes Fleisch, als man ihn abgetrennt hat. Mit einem scharfen Messer übrigens oder dem Skalpell eines Großtierarztes. Ich habe auch Zellen von einem Rind gefunden. Wahrscheinlich aber eher aus einer Küche oder einem Schlachthaus.“
„Ja, aber dann heißt das doch, dass sie tot ist?“, warf Peter ein. „Ich meine, wenn der Finger abgestorben war und erst später entfernt worden ist. Ein Körperteil verschrumpelt doch nicht am lebendigen Menschen.“
„Das Einzige was ich sagen kann ist, dass der kleine Finger von etwas Totem abgeschnitten worden ist.
Man kann an den Wundrändern exakt feststellen, ob das Gewebe von einem lebenden Organismus entfernt wurde oder eben nicht, so wie hier.“
„Ah, interessant!“, sagte Peter. Wolf schwieg. „Und heißt das nun, dass sie tot ist?“ Peter konnte beharrlich sein.
„Bei genauer Betrachtung der Sachlage – ich meine jetzt das viele Blut und diese Fingergeschichte – würde ich sagen, sie sei eher tot, aber hundertprozentig kann ich das nicht garantieren.“
„Du legst dich doch nie fest, Nadja“, gab Hetzer zu bedenken.
„Ja, und ich weiß auch, warum. Es gibt immer viele Möglichkeiten, wie Dinge passiert sein können. Wenn ihr wüsstet, was für irre Geschichten es in der Rechtsmedizin schon gegeben hat, dann wärt ihr auch vorsichtig mit euren Aussagen. Ich gebe aber zu, dass ihr wohl damit rechnen müsst, die Frau nicht mehr lebend zu finden.“
„Das sehe ich auch so! Und wir sollten dies jetzt als Tatsache akzeptieren“, sagte Peter und sah Wolf intensiv an. „Nach der langen Zeit hätte es sonst auch schon irgendwie ein Lebenszeichen gegeben.“ Wolf holte tief Luft und nickte.
„Habt ihr schon was wegen des Blutes herausgefunden?“, fragte Nadja
„Zum Teil“, antwortete Hetzer, „in der Praxis konnte uns niemand Auskunft geben, wieso sie ein Mittel wie Marcumar eingenommen haben könnte. Wir haben auch ihre anderen Ärzte befragt. Es gab absolut keine Indikation für die Verwendung eines blutverdünnenden Mittels. Die Blutarmut, also der niedrige Hämoglobin-Wert in ihrem Blut, ließe sich aber vielleicht erklären. Sie hat kurz zuvor ihre Menstruation gehabt.“
„Möglich, aber dafür war der Wert schon ziemlich niedrig. Da muss sie eine sehr starke Regelblutung gehabt haben“, gab Nadja zu bedenken. „Wie habt ihr das denn rausgefunden?“
„Ihre Kollegin Leslie wusste, dass sie einen Kalender führte. Auf dem haben wir nachgesehen.“
„Gut“, sagte Nadja und sie konnten direkt spüren, wie es in ihr arbeitete. „Wenn sie das gerinnungshemmende Mittel schon einige Zeit lang im Blut hatte, wäre eine sehr starke Regel möglich. Dazu muss ich euch Folgendes sagen. Ich war bisher davon ausgegangen, dass sie vielleicht erst begonnen hatte, so etwas wie Marcumar einzunehmen. Das Blut war in der Gerinnung gehemmt, aber nicht so weit, wie es eine therapeutisch sinnvolle Einstellung gefordert hätte. Es kann natürlich auch sein, dass sie das Zeug schon länger nahm und dabei war, es abzusetzen. Das dauert seine Zeit, bis die Gerinnung wieder normal funktioniert.“
„Sehr interessant“, warf Hetzer ein, „oder sie hat eine sehr kleine Dosis eingenommen.“
„Oder eingegeben bekommen“, sagte Peter, „denn wenn es keinen Grund gab, warum hätte sie sich in
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