Hetzer & Kruse 03 - Schattengift
verstanden uns gut.“
„Ihre Kolleginnen haben aber ausgesagt, dass Spannungen zwischen Ihnen beiden bestanden haben sollen.“
„Ach, das wird oft überbewertet“, gab Anke Tatge zurück, „da wird konzentriertes und konsequentes Arbeiten mit Schroffheit verwechselt. Nein, wir hatten keine wirklichen Probleme, aber auch keine Gemeinsamkeiten.“
„Würden Sie sagen, dass Sie ein neutrales Verhältnis hatten?“
„Ja, als solches könnte man es vielleicht bezeichnen.
Kollegial, mehr nicht.“
„Und das war einmal anders gewesen?“
„Ein bisschen, zu Anfang. Da dachte ich, dass wir ähnliche Interessen hätten, aber das stellte sich als falsch heraus.“
„Können Sie schießen, Frau Tatge?“
„Nein, und falls Sie meinen, ich hätte etwas mit den Schüssen auf meine Kollegin zu tun, muss ich Sie enttäuschen. Ich habe zahlreiche Zeugen, dass ich zu dieser Morgenstunde in der Praxis war.“
„Sie hätten für wenige Minuten die Praxis verlassen haben können. Es sind nur ein paar Meter bis zur Parkpalette.“
„Das habe ich aber nicht. Und schießen kann ich auch nicht. Mein Vater kann Ihnen das bestätigen. Ich habe noch nie geschossen.“
Albert Tatge nickte.
„Sie hätten es heimlich lernen können.“
„Klar, und dann bin ich unter dem Vorwand zur Toilette zu gehen, mit einer Waffe rausgeschlichen, habe mich hinter einem Pfeiler versteckt und auf sie geschossen.“
„Möglich ist alles“, sagte Kruse. „Wenn Sie wüssten, was wir schon alles erlebt haben!“
„Haben Sie noch andere Dinge vorzubringen, außer Ihren Räuberpistolen?“, schaltete sich Ankes Vater ein.
„Meine Tochter ist krank. Sonst würde ich Sie bitten, jetzt zu gehen.“
„Moment“, sagte Hetzer, „wir haben in der Tat noch ein interessantes Detail. Ihre Kollegin ist verschwunden. Man hat Blut im Harrl gefunden. Die Schere, die wir unweit des möglichen Tatortes im Wald gefunden haben, war von Ihren Fingerabdrücken übersät. Wie können Sie sich das erklären?“
„Gar nicht. Ich weiß von keiner Schere. Was soll denn das für eine Schere sein?“, fragte Anke Tatge.
„Es handelt sich dabei eindeutig um eine Schere aus der Praxis von Dr. Wiebking. Er hat in seine Instrumente ein Zeichen eingeritzt.“
„Das weiß ich, dass er sie markiert hat, aber ich habe keine Schere aus der Praxis entwendet. Wie soll also eine in den Wald gekommen sein? Fingerabdrücke von mir finden sich bestimmt überall in der Praxis. Das ist doch ganz logisch. Was soll das beweisen?“ Ankes Augen nahmen einen triumphierenden Ausdruck an.
„Dann haben wir noch festgestellt, dass jemand Ihrer Kollegin irgend so ein blutverdünnendes Mittel wie Marcumar ins Essen oder in ein Getränk gemischt haben muss. Können Sie uns dazu etwas sagen? Haben Sie etwas bemerkt?“
Anke wurde heiß und kalt. Sie hoffte, dass das niemandem auffiel.
„Wie kommen Sie denn darauf? Das macht doch niemand. Wissen Sie, wie gefährlich das ist? Vielleicht hat sie einfach zu viel Zimt gegessen. Sie liebte diese Zimtbrötchen aus dem Bioladen.“
„Ach, davon wird die Gerinnung des Blutes auch herabgesetzt?“, fragte Peter.
„Ich esse manchmal gerne Milchreis mit Zucker und Zimt.“
„Soweit ich weiß, schon“, sagte Anke. „Es heißt doch auch, man solle nicht so viel Zimt zu sich nehmen. Also schön in Maßen, Herr Kommissar.“
„Sie können sich also nicht vorstellen, wie das gerinnungshemmende Mittel in Ihre Kollegin hineingekommen ist?“, fragte Hetzer.
„Auf keinen Fall! Wie sollte ich?“, sagte Anke Tatge vehement.
Hetzer schüttelte sich innerlich. Da lag dieses Walross von einer Frau gehandicapt auf dem Sofa und strahlte immer noch eine Dominanz aus, dass sich ihm die Nackenhaare aufstellten.
„Eine Frage noch“, schloss Hetzer das Gespräch,
„wo waren Sie an dem besagten Freitagabend, als Ihre Kollegin Marie-Sophie Schulze verschwand?“
„Na, wo wohl, hier zu Hause.“
„Allein?“
„Ja“, gab Anke Tatge schroff zurück, „ich kann mir ihretwegen jetzt kein Alibi schnitzen, und ich brauche auch keins.“
Die Kommissare Kruse und Hetzer verabschiedeten sich von Anke Tatge und ihrem Vater.
„Hast du die komische Reaktion auch bemerkt?“, fragte Hetzer.
„Sicher, war doch nicht zu übersehen. Ihr standen doch direkt Schweißperlen auf der Stirn. Außerdem schien sie ziemlich genau Bescheid zu wissen, über Zimt und so. Man könnte vermuten, dass sie sich damit beschäftigt hat.“
Noch bevor sie
Weitere Kostenlose Bücher