Heuchler
zog ihr Smartphone aus der Tasche und streckte es ihnen, mit dem Bildschirm voraus, entgegen. Katja konnte kaum glauben, was sie da sah. Ein immer wieder von vorne beginnender, kurzer Film zeigte Sjören und sie, wie sie auf seinem Bett Sex hatten. Aufgenommen wurde das Ganze offenbar von seinem Laptop aus, der zu dieser Zeit auf dem Schreibtisch stand. Keiner der drei hatte Mike kommen sehen und Hanna wollte ihn schon schlagen, als er ihr das Handy aus der Hand nahm. Auch er sah sich den Film an, gab dann Hanna ihr Gerät zurück und zog, ohne ein Wort zu sagen, Katja mit sich.
»Ich bin schuld, Herr Köstner«, versuchte Sjören Katja zu entlasten, aber Mike würdigte ihn keines Blickes und ließ ihn einfach stehen.
»Wir gehen!«, sagte Mike zum Rest seiner Familie, als sie ihren Tisch erreichten, und nicht einmal Felix traute sich zu protestierten. Er hatte diese Stimmlage seines Vaters zum Glück noch nicht oft hören müssen, wusste aber, dass die Lage ernst war.
»Was ist denn passiert?«, fragte Petra, als der Festplatz hinter ihnen lag. Doch Mike antwortete nur knapp: »Das wird dir Katja zu Hause selbst erklären … wenn Felix nicht dabei ist!«
Als sie das Auto erreicht hatten, folgte der nächste Schock, denn über die gesamte Beifahrerseite zog sich ein eilig gesprühter Schriftzug in roter Farbe. Mikes einzige Reaktion darauf war ein wütender Blick zu seiner Tochter, nur Petra fragte verwirrt: »Was ist das?«
Im Haus angekommen, wurde Felix in sein Zimmer geschickt und Katja musste ihrer Mutter Bericht erstatten. Doch entgegen ihren Erwartungen reagierte ihre Mutter bei Weitem nicht so heftig wie ihr Vater. Statt einer Moralpredigt fragte sie nur: »Habt ihr verhütet?« Zum Entsetzen ihrer Eltern schüttelte Katja den Kopf, erklärte dann aber: »Ich hatte gerade erst meine Regel, zu der Zeit passiert doch nichts.« Mike hatte keine Ahnung von diesen Dingen und befahl: »Du holst dir Morgen einen Test aus der Apotheke und diesen unverantwortlichen Jungen siehst du nie wieder.« Katja brauchte einige Sekunden, um die Tragweite der Worte ihres Vaters zu kapieren. Dann sprang sie auf, rannte in ihr Zimmer und schlug die Tür zu. Mike wollte schon hinterher, aber Petra hielt ihn zurück: »Lass sie erst einmal in Ruhe. Wenn sie wirklich gerade ihre Tage hatte, dürfte tatsächlich nichts passiert sein.« Dann machte sie eine kurze Pause. »Aber wie ist diese Hanna überhaupt zu dem Film gekommen?«
Darüber hatte Mike noch gar nicht nachgedacht, und als er antwortete, wurde er noch wütender: »Vielleicht stellt dieser Idiot all seine Trophäen ins Internet? Da wäre er nicht der Erste!« Dann fügte er noch hinzu: »Umso richtiger ist es, wenn sie ihn nicht mehr sieht!«
»So hätte ich Sjören gar nicht eingeschätzt, ich dachte wirklich, er ist in Ordnung«, seufzte Petra, und bei den Gedanken daran, wie es Katja jetzt gehen musste, bekam sie Magenschmerzen.
Inzwischen war es draußen dunkel geworden und Felix durfte in Begleitung seines Vaters bis zur Uferböschung gehen, um sich das Feuerwerk wenigstens von dort aus anzusehen. Während über dem See Tausende bunter Lichter zerplatzten und sich immer wieder laute Donnerschläge an den umliegenden Hügeln brachen, versuchte Petra ein paar Worte mit Katja zu wechseln. Doch ihre Tochter wollte einfach nicht glauben, dass Sjören ihr so etwas vorsätzlich antat, und Petra merkte schnell, dass heute Abend kein Argument der Welt mehr etwas daran ändern würde.
Nach dem Feuerwerk gingen alle zu Bett und hofften, dass der nächste Tag besser werden würde, als dieser Abend endete.
– 17 –
Da Henrik immer noch nicht im Revier aufgetaucht war und auch nicht an sein Telefon ging, beschloss Peter etwas zu tun, was sich eigentlich nicht gehörte. Bevor er am Vortag das Präsidium verlassen hatte, war er noch einmal zurück in sein Büro und hatte sich die Adresse des Kollegen ausgedruckt. Normalerweise würde man nie einen kranken Kollegen zu Hause belästigen, aber diese E-Mail ließ Peter einfach keine Ruhe und Henriks Kollege erschien ihm alles andere, als kompetent zu sein.
Nach einer ziemlich unruhigen Nacht mit seiner Ärztin und einem späten, ausgedehnten Frühstück setzte er sich auf sein Fahrrad und fuhr in Richtung Innenstadt. Die angegebene Adresse war gerade einmal fünf Kilometer von ihm entfernt und er hatte keine Lust, zusammen mit all den Kaufwütigen, die an einem Samstag in die Stadt stürmten, im Stau zu stehen. Außerdem
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