Heurigenpassion
ich Sie am Abend aufsuche ?«
Palinski stimmte zu, bat den Mann aber, ihn vorher anzurufen. »Eines würde mich noch interessieren, Herr Marinov«, die Frage ging ihm schon die ganze Zeit durch den Kopf. »Wer ist eigentlich Amelia? Eine Verwandte oder eine frühere Freundin?«
»Leider nicht«, Marinovs Stimme klang sehr belegt, »dann könnte ich meine Frau ja um Hilfe bitten. Amelia ist die Assistentin meiner Gattin und ...«, er zögerte etwas, »… meine Geliebte. Aber das Schlimme ist: Ich liebe dieses wunderbare Wesen .«
»Und wo ist Amelia jetzt ?«
»Sie sollte eigentlich zu Besuch bei einer Freundin in Paris sein. Ich habe nach unserem ersten Gespräch sofort versucht, sie zu erreichen. Bisher aber vergebens. Ich bin, ehrlich gesagt, etwas beunruhigt .« Genau so klang Marinov auch.
* * *
Als Margit Waismeier um punkt 9 Uhr an ihrem Arbeitsplatz erschien, war ihr Chef, der Vorstand des »Institutes für Krimiliteranalogie« Mario Palinski, bereits unterwegs. »Bin mit Helmut Wallner bei Erhebungen in Grinzing. Melde mich später«, lautete die knappe Nachricht, die er ihr auf ihrem Schreibtisch hinterlassen hatte.
Das Institut hatte Palinski gegründet, um eine zumindest offiziöse Grundlage für seine inzwischen fast schon regelmäßige Zusammenarbeit mit der Polizei zu schaffen. Darüber hinaus wurde es vom Innenministerium immerhin mit jährlich 30.000 Euro gesponsert. Aber das war eine andere Geschichte.
Margit war die Witwe eines Kriminalbeamten, an dessen Tod sich Palinski sachlich zwar zu Unrecht, aber doch ein wenig mitschuldig fühlte. Er war felsenfest davon überzeugt, dass er den absolut unsinnigen Tod des Mannes verhindern hätte können, wenn er »rechtzeitig zwei und zwei zusammen gezählt hätte«, wie er sich immer wieder vorwarf.
Sie hatte den Job als Büroleiterin, wie Palinski sie inzwischen etwas euphemistisch bezeichnete, aber nicht aus schlechtem Gewissen oder Mitleid erhalten. Nein, sie war einfach unwahrscheinlich tüchtig und ein ganz lieber Mensch. Und sie sorgte dafür, dass es seinen Hunden auch gut ging, wenn er nicht da war.
Jetzt schaltete sie ihren Computer ein und sah als erstes nach, welche E-Mails seit dem letzten Arbeitstag des alten Jahres eingegangen waren. Als sie danach aufstehen und Kaffee holen wollte, läutete das Telefon.
Sie konnte sich nicht einmal richtig melden, denn ein offenbar hochgradig erregter Mann schrie in seinen Hörer: »Bitte Herrn Palinski, es ist sehr dringend .«
So konnte jeder kommen, aber nicht bei Margit. »Hier Waismeier, mit wem spreche ich ?« , gab sie leicht pikiert zurück.
»Entschuldigen Sie, mein Name ist Marinov. Herr Palinski erwartet mich eigentlich. Allerdings noch nicht jetzt«, schränkte er ein.
»Tut mir leid, der Chef ist nicht im Hause. Kann ich etwas ausrichten ?«
Marinov schien zuerst zu überlegen, entschloss sich dann aber, eine Nachricht bei der unbekannten Frau mit der netten Stimme zu hinterlassen. »Sagen Sie ihm bitte, dass ich Amelies Freundin in Paris jetzt endlich erreicht habe. Meine Amelie ist nicht in Paris. Sie ist nie dort angekommen und hat sich auch nicht gemeldet. Marie Claire hat keine Ahnung, wo sie sich aufhalten könnte .« Margit kam vor, als hätte sie ein nervöses Schluchzen vernommen. »Sagen Sie ihm, ich befürchte jetzt das Schlimmste .«
* * *
Martin Sandegger, der Stellvertreter Inspektor Helmut Wallners als Leiter der Kriminalabteilung am Koat Döbling, hatte seinen ersten Arbeitstag voller Elan begonnen. Die Woche Urlaub hatte Wunder an dem zuletzt völlig überarbeiteten Kriminalisten gewirkt. Er sprühte förmlich vor Tatendrang. Wallner, der ihn über alle Details informiert hatte, ließ ihn jetzt nur zu gerne die Position des Frontmannes übernehmen.
Im gemütlichen Schankraum des »Kutscherhauses«, eines der bekanntesten Heurigenlokale in Wien, saßen einige Mitglieder der Eigentümerfamilie Schwarzenbach den Inspektoren Wallner und Sandegger gegenüber. Als Palinski sich etwas später dazugesellte, war eben ein hart an Bestechung grenzendes Frühstück serviert worden. Da es sich bei dem Gespräch aber um eine Zeugenbefragung und nicht um die Vernehmung von Beschuldigten handelte, war nichts dagegen einzuwenden gewesen.
Sandegger hatte mit der Frage nach dem dritten Container begonnen. »Des is uns auch schon aufgfoin«, räumte Karl Schwarzenbach, der Chef des Hauses, unumwunden ein. »Da muss sich ana an bleden Scherz erlaubt ham
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