Heurigenpassion
Problem. Als Palinski das Gebäude betreten wollte, herrschte, abgesehen vom kuscheligen Licht einiger Kerzen und den fokussierten Lichtstrahlen einzelner Taschenlampen, totale Finsternis. Der diensthabende Beamte am Eingang verwehrte ihm zunächst den sonst ungehinderten Zutritt und leuchtete ihm ins Gesicht. »Ach, Sie sind es Herr Palinski. Entschuldigen Sie, aber bei dieser Dunkelheit kann man nicht vorsichtig genug sein .« Dann durfte er passieren.
Im gut geheizten Büro verbreiteten drei Kerzen eine angenehme, völlig im Widerspruch zur normalen Bestimmung des Raumes stehende Stimmung. Jetzt fehlten nur noch Punsch und einige Kekse und die Szene wäre locker als Weihnachtsfeier durchgegangen.
Nachdem ihn Wallner über die Ergebnisse der Befragung von Elenas Großmutter informiert hatte, ging es rasch in medias res.
»Die Fingerabdrücke auf dem Klebeband, mit dem Elena gefesselt worden war, sind leider unbrauchbar«, führte der Inspektor aus, »alle verwischt bzw. mit Fett bedeckt. So, als ob der oder die Person fettige Finger gehabt hätte.«
»So wie jemand, der gerade eine Bratwurst ohne Besteck gegessen hat ?« , warf Palinski ein. »Ja, so etwas in der Art. Auf jeden Fall tierischen Ursprunges«, bestätigte Wallner.
Die Untersuchung des Containerinhaltes hatte keine weiteren Hinweise geliefert. Es handelte sich ausschließlich um den üblichen Müll eines Gastronomiebetriebes. Inklusive unappetitlicher Küchenabfälle und Essensreste, die nach den Entsorgungsrichtlinien gar nichts da drinnen verloren hatten.
Die junge Frau hatte tatsächlich noch gelebt, als sie im wahrsten Sinne des Wortes »auf den Müll« geschmissen worden war. Die relativ große Menge ihres Blutes, die man im Container gefunden hatte, ließ keine andere Deutung zu.
Das gerichtsmedizinische Gutachten lieferte einen bemerkenswerten Hinweis. Zwischen den Zähnen der Toten waren Haut- und Gewebereste gefunden worden, die nur einen Schluss zuließen. Elena hatte ihren Peiniger äußerst kräftig gebissen. Und damit auch für Beweise für seine Täterschaft gesorgt. Die Wunde würde man noch tagelang mit bloßem Auge erkennen können. Und der Vergleich der DNS könnte letzte Zweifel hinsichtlich der Täterschaft beseitigen. Falls man den dazugehörigen Scheißkerl fand, dachte Palinski bitter. Hinweise auf eine mögliche Vergewaltigung waren keine gefunden worden.
»Was jetzt noch fehlt, ist die Handtasche oder zumindest ein Ausweis und eine Geldbörse Elenas«, warf Palinski ein. »Sie ist immerhin von Wilhelmsburg bis Wien gefahren und wollte auch wieder zurück .« Er blickte Franca Aigner fragend an. »Würdest du das ohne Geld und Ausweis machen ?«
Inzwischen war das Licht wieder angegangen und die trotz des Gesprächsthemas irgendwie friedliche Stimmung mit einem Schlag wie weggewischt. Wallner trat ans Fenster und blickte hinaus. Es hatte wieder leicht zu schneien begonnen.
»Nach derzeitiger Lage der Erhebungen hat sich die Tragödie im hinteren Teil des Hofes des ›Kutscherhauses‹ abgespielt«, fasste er die bisherigen Untersuchungsergebnisse zusammen. »Dort werden wir auch noch Spuren des Verbrechens finden. Allerdings nicht, solange der Schnee alles zudeckt. Ich denke, wir lassen es für heute sein und machen morgen weiter .«
»Der Schnee hat aber auch seine Vorteile« hoffte Palinski. »Wenn wir die Spuren nicht finden können, die noch da sind, weil alles unter dem Schnee versteckt ist, dann findet sie der Täter auch nicht und kann sie nicht beseitigen .«
»Na hoffentlich weiß er das auch«, meinte Franca skeptisch.
4
Die Stimmung bei Palinskis Heimkehr gestern Abend war ähnlich frostig gewesen wie die Außentemperaturen an diesem Morgen.
Wilma hatte jede Art der Kommunikation verweigert und war schon bald im Schlafzimmer verschwunden. Dass sie ihm das Bettzeug nicht vor die Türe gelegt hatte, als nonverbale Aufforderung, im Wohnzimmer zu schlafen, war angesichts des herrschenden Beziehungstiefs fast als Wunder anzusehen. Etwas später hatte er sich ins Bett geschlichen und versucht, sie mit einer besonders originellen Variante der Geschichte seines Vornamens zu besänftigen.
Wilma hatte sich aber nur demonstrativ die Hände vor beide Ohren gehalten und in absolut kindischer Manier »Lalalalalala« vor sich hin geplappert. Eine frühkindliche Variante des bekannten »Vogel-Strauß-Prinzips.«
Später hatte ihre Neugierde doch noch gewonnen und sie hatte auf das Thema zurückkommen
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