Heurigenpassion
nicht mehr ?« , wollte er von seiner Schwester wissen, während er begehrlich auf den Toast mit dem verlockenden Lachsbelag deutete.
»Du bist unmöglich«, kritisierte Tina, »von mir aus kannst du fressen, bis du umfällst .«
Während Harry noch »Danke« sagte, hatte er den delikaten Happen bereits in der Hand.
»Du wolltest wissen, wo Papa ist«, erinnerte sich Wilma an die Frage ihres Sohnes. »Da ist er«, entschieden deutete sie auf das Fernsehgerät.
Mit »Was, Ihr Mann ist beim Fernsehen ?« , brachte sich jetzt auch Beate ins Gespräch ein.
»Nein«, Harry war die Frage offenbar peinlich, »nicht beim Fernsehen, sondern beim Kindersuchen .«
»Was macht Ihr Mann eigentlich beruflich ?« , Beate war gar nicht so leicht zufrieden zu stellen. »Außer Kindersuchen, meine ich«
Diese Frage hatte sich Wilma schon oft gestellt, außer einigen partiellen Deutungen aber keine insgesamt befriedigende Antwort darauf gefunden. Sie war zu müde, um darüber nachzudenken, zuckte deshalb nur mit den Achseln. »Das fragen Sie ihn am Besten selbst .«
Jetzt war Maestro Ricardo Muti wieder am Bildschirm erschienen und hob den Taktstock. Doch keiner der Anwesenden war noch so richtig bei der Sache.
* * *
Während die durch zivile Freiwillige verstärkte Suchmannschaft auf mehr als 300 Personen anwuchs und sich noch immer neue Helfer meldeten, versammelte Helmut Wallner sein reduziertes Team in seinem Büro auf der Hohen Warte.
Zwei junge Polizeianwärterinnen hatten sich freiwillig gemeldet, um zu helfen und verstärkten jetzt die euphemistisch zur Telefonzentrale erklärte Gesprächseingangsstelle. Was sich als gut und richtig erwies, denn die ersten Anrufe aus der Bevölkerung ließen gar nicht lange auf sich warten.
»Die Suche scheint ja jetzt zu laufen«, konstatierte Palinski gegen 13 Uhr, »ich denke, wir sollten uns daher der Frage nach dem Täter oder der Täterin widmen. Jeder richtige Schritt in diese Richtung bringt uns auch dem Baby näher .«
Wallner nickte zustimmend. »Also was wissen wir bisher? Die Frau ist gegen Mitternacht gestorben. Die Art, wie sie gewürgt und erschlagen wurde, schließt ein geplantes, von langer Hand vorbereitetes Verbrechen aus. Da steckt sehr viel Zorn, Wut, Angst oder Vergleichbares dahinter, das den Täter spontan hat handeln lassen .«
Palinski nickte und dachte an die Gefühle, die ihn überkommen hatten, als der Arzt über die Art der Verletzungen der Frau gesprochen hatte. »Dem Ganzen musste eine schwere emotionelle Auseinandersetzung vorangegangen sein .«
»Du glaubst also nicht an den Nazi-Scheiß, den die Aufschrift an der Wand hinter dem Container indizieren soll ?« , wollte Wallner wissen.
»Das eine schließt das andere zwar nicht aus«, widersprach Palinski, »und ich denke, dass wir die Möglichkeit nicht aus den Augen lassen sollten. Aber irgendwie glaube ich nicht daran. Die ganze Sache wirkt irgendwie zu inszeniert. So als ob jemand bewusst eine Spur in diese Richtung legen wollte. Warum sollten Skinheads oder sonstige gewalttätige Ultrarechte einen Müllcontainer durch Grinzing schieben. Selbst um 4 Uhr morgens kann man nicht sicher sein, dabei nicht doch gesehen zu werden. Die würden ihr Opfer eher dort zurücklassen, wo sie es zu Tode geprügelt haben. Dabei muss es sich ohnehin um einen einsamen Ort gehandelt haben. Denn um Mitternacht waren die öffentlichen Flächen ja voll mit feiernden Menschen. Da hätte ja jemand etwas sehen müssen. Hast du ein Foto von der Fundstelle ?«
Wallner reichte ihm ein Polaroidfoto, das Franca unabhängig von der Spurensicherung gemacht hatte. Mit ihrem neuen Apparat, einem Weihnachtsgeschenk von ihrem Helmut.
Palinski studierte das Bild. »Irgend etwas stimmt daran nicht«, war er sich sicher, »aber ich komme nicht drauf, was es ist. Noch nicht.«
Wallner kam wieder zur Ausgangsannahme zurück. »Es war also mit Sicherheit kein geplantes Verbrechen. Das bedeutet, dass der oder die Täter oder Täterin sicher keine Handschuhe getragen hat , während er oder sie die Frau gefesselt hat. Eigentlich müsste das schöne Fingerabdrücke auf dem Klebeband bedeuten .«
Palinski nickte zerstreut, er war in Gedanken noch immer bei der seltsamen Aufschrift. »Wo ist Franca eigentlich ?«
»Ich konnte sie nicht davon abhalten, sich an der Suche nach dem Kind zu beteiligen. Als Frau hat sie die Geschichte wahrscheinlich noch mehr mitgenommen als uns. Kann man ja auch verstehen«, rechtfertigte Wallner
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